FondsDISCOUNT.de: Sie wollen Impact Investment zum Mainstream verhelfen. In Deutschland ist das immer noch ein weniger bekannter Ansatz. Was charakterisiert denn ein Impact Investment?
Susanne Bregy: Die offizielle Definition ist: Eine Investition soll eine finanzielle sowie eine soziale und/oder grüne Rendite erzielen. Ganz wichtig dabei ist, dass der „Impact“ beabsichtigt ist und kein Nebenprodukt darstellt. Der dabei erzielte positive Impact – also die erreichte Wirkung – muss messbar sein. Meine persönliche Definition fällt etwas pragmatischer aus und lautet: Ein Impact Investment will ein gesellschaftliches oder ökologisches Problem kommerziell lösen.

Die Abgrenzung zur Nachhaltigkeit (Socially Responsible Investing, SRI) zeigt sich vor allem in zwei Punkten: In den Assetklassen und in der eingangs erwähnten Tatsache, dass der Impact kein Nebenprodukt, sondern integraler Bestandteil des Geschäftsmodells ist. Bei nachhaltigen Unternehmen ist letzteres keine zwingende Voraussetzung: Als Beispiel: Patagonia stellt Outdoor-Kleidung her und gilt – gerade in der oft problematischen Textilbranche – als eines der nachhaltigsten Unternehmen überhaupt. Das Unternehmen integriert die sogenannten ESG (Environmental, Social and Governance) Kriterien konsequent und umfassend in die tägliche Arbeit. Beispielsweise in Bezug auf CO2-Emissionen, faire Produktionsbedingungen, soziale Einstellung gegenüber den eigenen Mitarbeitern). Aber löst Patagonia ein strukturelles gesellschaftliches Problem? Ich würde die Frage eher mit „nein“ beantworten, selbst wenn warme Outdoor-Kleidung auf dem Mount Everest sicher Leben retten kann.

Noch ein Beispiel: Der Versicherungskonzern Allianz erhält regelmäßig exzellente Nachhaltigkeitsbewertungen. Eine Versicherung ist ein essentielles Produkt, stellt aber – vor allem in OECD-Ländern – in erster Linie keine Lösung für ein gravierendes gesellschaftliches oder umweltthematisches Problem im „Impact“-Sinne dar. In Entwicklungsländern hingegen, in denen Milliarden von Menschen von weniger als 2,50 US-Dollar am Tag (sogenannte „Bottom of the Pyramid“) leben, würde dies anders aussehen. Werden dort etwa Mikroversicherungen an Slumbewohner verkauft, kann das einen sehr großen „Impact“ haben, da ein wichtiges Produkt einer Bevölkerungsgruppe zugänglich gemacht wird, die vorher komplett abgeschnitten waren von diesen Leistungen. Es kann also sein, dass beide Unternehmen, die hier als Beispiele genannt sind, einzelne Geschäftszweige haben, die man als Impact Investing bezeichnen könnte, aber sicherlich nicht die Gesamtheit des Unternehmens.

Was die Asset Klassen angeht, spielen sich die meisten nachhaltigen Investments in den liquiden Klassen ab – also Aktien und Fixed Income – die meisten Impact Investments jedoch in den semiliquiden oder illiquiden Asset Klassen Private Debt, Private Equity und Venture Capital.

Was sind die gängigsten Vorurteile, denen Sie begegnen und wie argumentieren Sie dagegen?
Dass ein Impact Investor auf Rendite verzichten muss. Dass Impact Investing lediglich eine Neuinterpretation von Philanthropie ist. Dass nicht beides gleichzeitig geht – also eine attraktive finanzielle Rendite zu erwirtschaften und gleichzeitig etwas Sinnvolles, Gutes zu tun.

Diese Vorurteile bekämpfe ich relativ schnell, indem ich zum einen generell Sektoren und Merkmale aufzeige, die „high return and high impact“ ermöglichen, zum anderen indem ich dies mit konkreten Beispielen unterlege. Ich besitze den entsprechenden Background und kenne genügend Strategien, die Probleme kommerziell lösen und hierbei – etwa aufgrund von Skalierungsmöglichkeiten – Marktrenditen erzielen. Das überrascht viele, wenn sie dies zum ersten Mal hören.

Sie kommen aus der Welt von Private Equity und Hedgefonds – was man ja gemeinhin als Haifischbecken bezeichnet. Was war Ihr persönlicher Auslöser, sich Impact Investing zu verschreiben?
Kurz zu meiner Biografie: Ich bin im schweizerischen Kanton Wallis aufgewachsen, habe dann in München Philosophie und internationales Management studiert und wollte auf gar keinen Fall in den Finanzbereich. Es kam dann völlig anders. Ich habe von Anfang an bei Fondshäusern aus dem Bereich Alternative Investments gearbeitet, zunächst in München, ab 2009 in London, wobei der Fokus auf Private Equity lag. Ich habe während dieser Tätigkeit faszinierende und menschlich gesehen wertvolle Menschen kennengelernt, aber zu oft begegnete ich Personen, die von falschen Werten motiviert waren. In manchen Situationen war ich von der kriminellen Energie, die zu Tage kam, entsetzt.

Ich bin überzeugt, dass Kurzfristigkeit im Denken, Profitmaximierung, Gier, große Egos und Machtspiele in vielen Bereich des traditionellen Finanzsystems zur Tagesordnung gehören. Dieses systemische Risiko, was uns schlussendlich die Finanzkrise beschert hat, wird vor allem in der herkömmlichen Finanzindustrie nach wie vor gefördert und gefordert. Und ich war Teil dieses Systems. Als ich dies realisierte, wollte ich zunächst ganz aus dem Finanzbereich heraustreten und beruflich komplett neu starten. Da ich mich jedoch klar zum Kapitalismus und zum Geldverdienen bekenne, aber eben eingebettet in einer positiven Wertvorstellung, entschloss ich mich, das System von innen heraus zu verändern. Impact Investing ist der Weg, den ich gewählt habe, um dies zu tun und Investoren dazu zu bringen, dreidimensional zu denken: in Risiko-, Rendite- und Impactkategorien

Wie kann Kapitalismus auch etwas Gutes bewirken?
Der Kapitalismus kann durchaus Gutes fördern: Er gibt Menschen eine Perspektive, fördert die soziale Mobilität – also die Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs. Warum gibt es Aufstände, Flüchtlingskrise, Brexit oder Trump? Die Antwort lautet unter anderen: Soziale Ungerechtigkeit – weil sich Bevölkerungsgruppen innerhalb der Systeme abgehängt fühlen. Menschen brauchen Perspektiven! Es ist essenziell, dass Menschen ihre Situation durch eigene Kraft und Arbeit verbessern können. Ich bin überzeugt, dass es ohne wirtschaftliche Prosperität, ohne Marktwirtschaft keine echten Demokratien gibt. Wichtig ist jedoch, dass Wachstum allen zugutekommt, nicht nur den Eliten oder der Oligarchie.

Ihre Firma Rhodanus Capital unterstützt Investoren bei Impact Investments. Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie die Unterstützung abläuft?
Einerseits helfe ich traditionellen Investoren zu verstehen, was Impact Investing tatsächlich ist, wie und wo sich welche Renditen und welchen Impact bei welchem Risiko realisieren lassen. Das beinhaltet strategische aber auch taktische Allokation, d.h. ich helfe beim Erstellen einer Impact Strategie wie auch bei der Auswahl und Prüfung geeigneter Produkte. Andererseits berate ich Investing-Projekte bei der Einwerbung von Investitionsgeldern. Beides findet in einem internationalen Kontext statt. Hier kommen mir natürlich die Jahre, die ich im traditionellen Bereich gearbeitet habe, zugute: Ich weiß, wie Private Equity funktioniert, ich weiß, was Investoren erwarten.

Was ist Ihre Zielgruppe? Gibt es bereits Investorengruppen, die Impact Investing offener gegenüberstehen als anderen, wo es noch Vorarbeit zu leisten gibt?
Besonders offen zeigen sich Frauen und Millennials. Grundsätzlich auch Familien beziehungsweise deren Family Offices, die ganzheitlich investieren. Langsam taut auch die institutionelle Seite auf. Die Zielgruppe erweitert sich, es gibt eine Growthstory, viele sehen die Notwendigkeit, ganzheitlich zu denken. Auch die Regulatoren öffnen sich teilweise in Richtung Impact und Nachhaltigkeit, so etwa in Frankreich – leider tut sich an dieser Front in Deutschland noch gar nichts.

Wie groß sind die Unterschiede zwischen dem angelsächsischen Raum und Deutschland respektive Europa?
Im angelsächsischen Raum ist Impact Investing verbreiteter als in Kontinentaleuropa. Dies liegt unter anderem daran, dass in den USA und in Großbritannien die Erfahrung mit den illiquiden Asset Klassen deutlich größer ist als in Deutschland. Dies gilt sowohl für wohlhabende Familien, für institutionelle Investoren, aber auch für Endowments und Stiftungen.

Wie finden Sie unterstützenswerte Projekte, für die Sie mit Ihren Investoren Kapital zur Verfügung stellen?
In erster Linie durch meine Netzwerke. Darüber hinaus kann ich im Rahmen einer strategischen Allokation aufzeigen, in welchen Sektoren sich welche Risiko-Rendite-Impact Kombinationen realisieren lassen. Und nicht zuletzt helfen mir natürlich die Kenntnisse, die ich während meiner Tätigkeit in der traditionellen Finanzindustrie gesammelt habe, bei der Prüfung und Bewertung der Projekte, Unternehmen und Fonds.

Können Sie uns ein Beispiel eines solchen Unternehmens geben?
In Indien habe ich ein Unternehmen besucht, das Kredite an Firmen vergibt, die im informellen Sektor tätig sind – also Unternehmen, die nirgends gemeldet sind, keine Steuern zahlen, keine Buchhaltungssysteme etc. besitzen. Zum Hintergrund: in vielen Entwicklungsländern kommt ein großer Teil des Wirtschaftswachstums aus dem informellen Sektor. In Indien schätzt man, dass der Umsatz des informellen Sektors zwei bis dreimal so groß ist wie der des formellen Sektors. Das Unternehmen, das ich besucht habe, vergibt Kredite an Firmen aus dem informellen Sektor.

Sie können sich sicherlich vorstellen, dass eine traditionelle Bank Unterlagen wie etwa Jahresabschlüsse benötigt, um eine Bonitätsprüfung vornehmen zu können – ein KMU aus dem informellen Bereich, das keine Buchhaltung hat, kann natürlich auch keinen Jahresabschluss vorweisen. Deshalb war diesen Betrieben bisher der Zugang zu Fremdkapital verwehrt. Nun aber führt das Unternehmen, das ich besucht habe, eine andere Art der Bonitätsprüfung durch. Es hat sich gezielt Know-how in einigen Branchen – etwa Sari-Produktion, Ziegelbrennerei, Landwirtschaft – aufgebaut und hat deshalb ein sehr gutes Verständnis für die Cashflows, die diese Kleinbetriebe erwirtschaften. Die können beispielsweise einschätzen, wie viele Saris ein Webstuhl im Schnitt pro Jahr produziert, wie hoch die Wareneinkaufspreise sind, und wieviel der Großhändler für einen fertigen Sari bezahlt. Diese Einschätzung in Kombination mit Referenzen, die noch eingeholt werden (in diesem Fall vom Großhändler, der die Saris kauft), erlaubt es dem Kreditgeber, eine Prüfung ohne die klassischen Unterlagen vornehmen zu können.

Weiteres Beispiel: ein Slumbewohner will sich ein kleines Haus im Slum bauen. Keine klassische Bank würde ihm hierfür einen Kredit geben, da er keine Sicherheiten stellen und keinen formalen Lohnnachweis erbringen kann. Nun gibt es Unternehmen, die Hypotheken für genau diese Zielgruppe entwickelt haben, zu Konditionen, die auch für diese Menschen tragbar sind. Innerhalb der untersten sozialen Schicht, also innerhalb der „Bottom of the Pyramid“, gibt es durchaus wirtschaftlich produktive Gruppen. Diese versteht Impact Investing als Kunden, die genauso essenzielle Produkte und Dienstleistungen benötigen wie Sie und ich: etwa Bildung, medizinische Leistungen, Zugang zu Krediten. Aber klar ist auch, dass diese Zielgruppe ein Produkt nur dann kauft, wenn es sinnvoll ist und das Leben des Käufers verbessert, sonst würde eine arme Person es nicht kaufen. Deshalb halte ich in solchen Situationen, in denen eben kommerzielle Lösungen existieren, Impact Investing deutlich effizienter als Philanthropie. Letztere hebelt den Marktmechanismus aus, der jedoch oft dazu beiträgt, dass Probleme richtig erkannt und angegangen werden.

Es ist natürlich auch klar, dass es für viele Probleme keine kommerziellen Lösungen gibt. Eine Familie beispielsweise, die in Bombay auf der Straße lebt, wird Impact Investing nicht erreichen. In solchen Fällen gibt es keine Alternative zur Philanthropie.

Ein Vorurteil ist mit Sicherheit, dass solche Projekte hauptsächlich in den Schwellenländern zu finden sind. Gibt es auch Impact Investing Strategien in Industrieländern?
In den westlichen Ländern findet Impact Investing unter anderem in Bereichen erneuerbare Energien, Cleantech, Fintech, Medizintechnik, Bildung, Soziales Wohnen oder nachhaltige Land- und Forstwirtschaft statt.

Natürlich müssen wir bei Investments auch über die Rendite sprechen, die wohl für die meisten Investoren doch ein ausschlaggebender Grund ist. In welchem Rahmen bewegen sich die Renditen bei Impact Investments?
Die Renditeerwartungen variieren je nach Strategie und natürlich Asset Klasse. Grundsätzlich kann man jedoch sagen, dass sie von deutlich unter Marktrendite bis hin zu Marktrendite oder sogar darüber liegen können. In Deutschland ist leider noch wenig bekannt, dass man auch mit Impact Investing ähnliche Renditen erwirtschaften kann wie vergleichbare Nicht-Impact-Produkte. Beispiel: Von traditionellen Private Equity Fonds, die in Schwellenländern investieren, wird von vielen Investoren ein IRR von 15 -20% erwartet. Es gibt durchaus auch Impact Investing Strategien, die diese Renditeerwartungen erfüllen.

Ist der Investor jedoch eher philanthropisch motiviert, tritt die Rendite oft in den Hintergrund, und ein Impact Investment wird eher als effizientere Form anstelle von Spenden getätigt.

Susanne Bregy erstellt mit ihrer Firma Rhodanus Capital Impact-Investment-Strategien für große, finanzstarke Kunden. Privatanleger erhalten hier einen Überblick über Nachhaltigkeitsfonds.