Kleine Brötchen bäckt man bei Carmignac Gestion schon lange nicht mehr. Die Pariser Vermögensverwaltung betreut knapp 54 Milliarden Euro. An der Place Vendôme, einer der ersten Adressen in Paris, tüftelt das Team um Firmengründer Edouard Carmignac zwischen großformatigen Werken zeitgenössischer Künstler und goldenen Wandornamenten an der Zusammensetzung der hauseigenen Fonds. Oberster Stratege für die globalen Märkte ist Frédéric Leroux. Der Portfoliomanager sprach mit €uro am Sonntag über Europas Krisenstaaten und Angela Merkel. Und er erklärte, warum eine Korrektur an den Aktienmärkten bevorsteht.

€uro am Sonntag: Herr Leroux, welche Börsen in Europa werden 2013 erfolgreich sein?
Frédéric Leroux: Zwei Gruppen von Ländern werden dieses Jahr positiv auffallen. Zum einen Staaten wie Italien und Spanien, die mitten in ihrer Restrukturierung sind. Zum anderen die direkten Nachbarn der Eurozone, allen voran Großbritannien und die Schweiz.

Sind denn die Krisenstaaten Spanien und Italien über den Berg?
Nein, doch die Bemühungen der beiden Länder gehen in die richtige Richtung. Das ist sicher nicht leicht für die Menschen dort, die zum Beispiel im Fall Spaniens mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben. Aber die Unternehmen haben ihre Wettbewerbsfähigkeit klar gesteigert und stehen wieder besser da.

Woher kommt der Optimismus für die Nachbarn der Eurozone wie Großbritannien und die Schweiz?
Sie werden von der Aufwertung des Euro profitieren — zumindest in den kommenden Monaten.

Und welche Branchen werden besonders erfolgreich sein?
Das Comeback der Banken wird sich fortsetzen. Vor allem das der Institute aus den Krisenstaaten. Und natürlich bleiben die großen Exportunternehmen Europas attraktiv. Denn sie verkaufen ihre Waren weltweit dort, wo starkes Wachstum zu sehen ist.

Ist der von Deutschland vorgegebene strenge Spar- und Reformkurs eine Gefahr für Europa?
Die Deutschen haben in den vergangenen Jahren viele gute Reformen umgesetzt. Legen sie jetzt die gleichen Maßstäbe an die Krisenstaaten an wie an das eigene Land vor zehn Jahren, würde dies für viele Jahre das Ende des Wachstums der europäischen Wirtschaft bedeuten.

Deutschland muss also nachgiebiger sein?
Diese Tendenz ist ja längst erkennbar. Gerade jetzt, wo die Wahlen in Deutschland anstehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird alles daran setzen, dass es vor September nicht erneut zu einem Aufflammen der Eurokrise kommt. Überhaupt zeigt Deutschland seit einiger Zeit ein größeres Verständnis für die Situation der krisengeschüttelten Staaten. Man hat begriffen, dass diese Länder mehr Zeit brauchen.

Wird der Ton nach der Bundestagswahl wieder schärfer werden?
Nein. Ich glaube eher, dass wir im September feststellen werden, dass es gut war, lockerer zu sein. Dann werden wir sehen: Europa ist auf dem richtigen Weg.

Sie haben mal gesagt, dass ein guter Fondsmanager nicht nur intelligent, sondern auch mutig sein muss. Für was braucht es derzeit Mut?
In Europa investiert zu sein — das ist mutig. Denn wer das wagt, spielt gegen die Fundamentaldaten. Die Krisenstaaten entwickeln sich zwar in die richtige Richtung. Aber dennoch sind die Wirtschaftsdaten des Kontinents ernüchternd. Wer trotzdem investiert hat, verlässt sich ausschließlich auf die Liquidität als Kurstreiber. Aber das ist völlig in Ordnung — solange sich die Anleger bewusst sind, dass sie auf diese Macht setzen. Anleger, die investiert sind, sollten verstanden haben, dass die hohe Liquidität stärker ist als alle volkswirtschaftlichen Daten.

Wo sind Sie im Moment mutig?
Wir sind mutig in der gerade beschriebenen Art — auch wir haben in Europa investiert. Doch der Zeitpunkt, an dem ich das nächste Mal Mut beweisen muss, ist nahe: Er ist gekommen, wenn ich entscheide, unsere Aktienquote wieder zu senken. Und das dauert nicht mehr lange — vielleicht noch zwei Monate.

Haben Sie nicht gesagt, Europa sei auf einem guten Weg?
Sicher. Aber es wird noch eine Korrektur an den Aktienmärkten geben, und die ist nicht mehr fern. Ich rechne damit zu Beginn des zweiten Quartals. Die Euphorie an den Börsen ist einfach zu hoch. So viele Investoren strömen nach Europa — viele Aktien sind überkauft. Nach dem Rücksetzer werden wir dann mit Nachdruck in die anfangs genannten Länder und Branchen investieren.

Das Gespräch führte Christoph Platt