Tennis-Superstar Roger Federer hat in seiner Karriere fast alles gewonnen, was in seinem Sport zu gewinnen ist. Ein großes Ziel verfolgt der Schweizer aber noch. „Eine Goldmedaille im Einzel habe ich noch immer nicht“, erklärt Federer. Es wäre eine von 162 Goldmedaillen, die bei den olympischen Spielen in London ab Ende Juli an siegreiche Männer verteilt werden. Während unter den über 10 000 teilnehmenden Sportlern die Lust auf Gold im Vorfeld der Spiele stetig steigt, ist an der Londoner Edelmetallbörse davon wenig zu spüren. Seit dem Allzeithoch im August vergangenen Jahres ist der Preis des gelben Edelmetalls um knapp 20 Prozent eingebrochen, eine Unze (31,1 Gramm) kostet nicht mal 1600 US-Dollar, seit Wochen dümpelt der Preis vor sich hin. Die Stimmung unter Goldhändlern ist nach einer Umfrage der britischen Bank Barclays so schlecht wie seit Dezember 2008 nicht mehr. Ein Grund für die Entwicklung ist, dass sich in den ersten vier Monaten die Angst vor einem Niedergang der westlichen Welt inzwischen verflüchtigt hatte. Bei Privatanlegern in Europa und Übersee war das Kriseninvestment daher vergleichsweise unpopulär. In den USA sind die Verkäufe der Goldmünze American Eagle, ein guter Indikator für die Stimmung der Kleinanleger, seit Februar im Vergleich zum Vorjahr um 62 Prozent gesunken. Gute Konjunkturdaten aus den USA sorgten nicht nur für eine optimistischere Grundhaltung, sondern auch für einen stärkeren US-Dollar, der den Goldpreis unter Druck setzt. Denn schwächelt der Greenback, steigt die Nachfrage nach Edelmetallen als Absicherung. Wertet die US-Währung auf, tritt der entgegengesetzte Effekt ein.

Großinvestoren kehren zurück
Und sogar die Inder, traditionell die treuesten Goldkunden, hielten sich 2012 zurück. Die Nachfrage brach aufgrund der gestiegenen Kosten für Goldschmuck im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte ein. Einerseits weil die Notierungen trotz des aktuellen Rückschlags in den vergangenen Jahren rasant angezogen haben, andererseits weil die Indische Rupie gegenüber dem Dollar an Wert verloren hat. Dies verteuerte das in Dollar notierte Gold für Inder zusätzlich. Selbst die Eskalation der Griechenland-Krise hat entgegen vieler Prognosen dem Markt keinen Schub gebracht. Viele Finanzinvestoren mussten ihre Goldpositionen auflösen, um liquide zu bleiben. Dies brachte den Goldpreis weiter unter Druck. Ein Effekt, der schon nach der Lehman-Pleite 2008 eintrat, als das Edelmetall seinem Safe-Haven-Status lange Zeit nicht gerecht wurde und zusammen mit dem Aktienmarkt rasant an Wert verlor, um dann zum nächsten Höhenflug bis 2011 anzusetzen. Für viele stellt sich daher die Frage, ob der nun schon elf Jahre dauernde Goldbullenmarkt endgültig ein Ende gefunden hat. Die Mehrzahl der Edelmetallexperten will weitere Kursverluste zwar nicht ausschließen, sieht den Aufwärtstrend aber intakt. Nicht nur deshalb, weil größere Rückschläge auch in den vergangenen Jahren schnell wieder wettgemacht wurden. Auch die Daten vom Goldmarkt sind nicht so schlecht, wie sie scheinen. Im ersten Quartal sind die Goldverkäufe weltweit im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um gerade einmal fünf Prozent auf 1097,6 Tonnen zurückgegangen, teilte der Branchenverband World Gold Council (WGC) vor zwei Wochen mit.

Vor allem Chinas Bedarf an Gold ist ungebrochen. Mit über 250 Tonnen an Goldimporten hat das Milliardenreich den Nachbarn Indien als größten Absatzmarkt inzwischen abgelöst. Und es gibt auch noch weitere Indikatoren, die für ein Comeback bis Ende des Jahres sprechen. Einige Großinvestoren wie George Soros und John Paulson haben die günstigen Preise genutzt und ihre Goldbestände aufgestockt, um sich gegen Währungsabwertung, steigende Inflation und ein mögliches Auseinanderbrechen der Eurozone abzusichern. „Pensionsfonds sind seit Kurzem ebenfalls wieder auf der Käuferseite,“ erklärt Robert Vitye, Geschäftsführer des Edelmetallhauses Solit Kapital. Dies deckt sich mit einer Umfrage der Fondsgesellschaft Swisscanto, die ergab, dass Schweizer Pensionskassen als Inflationsschutz neben Immobilien und Aktien verstärkt auf Goldinvestments setzen. Auch die Notenbanken, die in den vergangenen Jahren von der Verkäufer- auf die Käuferseite gewechselt waren, haben sich zurückgemeldet. So hat laut Internationalem Währungsfonds die türkische Zentralbank im April 29,7 Tonnen zugekauft. Die Zentralbanken Mexikos, Kasachstans und der Ukraine haben ihre Tresore ebenfalls weiter gefüllt.

Deutsche kaufen wieder
Bei den deutschen Privatanlegern hat die Stimmung in den letzten Wochen ebenfalls gedreht. Seit der Austritt Griechenlands aus der Eurozone diskutiert wird, nehmen Zukunftsängste und Sicherheitsbedürfnis zu. „Wir verzeichnen im April ein Plus bei den Bestellungen von knapp 50 Prozent gegenüber den Vormonaten, als die Eurokrise in den Hintergrund gerückt war,“ sagt Robert Hartmann, Chef des Edelmetallhändlers Pro Aurum. „Vor allem die Zahl der Einzelorders in Millionenhöhe nimmt spürbar zu.“ Bestseller sind aktuell Goldmünzen wie der Krügerrand und der Maple Leaf. Von der schwachen Wertentwicklung in den vergangenen Monaten lassen sich die Kunden nicht abhalten. Im Gegenteil. „Ein Teil unserer Kunden nutzt sicherlich den Preisrückgang, um günstig einzukaufen“, sagt Hartmann. „Für viele andere ist Gold aber kein Renditeinvestment, sondern eine reine Absicherung gegen Turbulenzen wie Hyperinflation und Staatspleiten“, erklärt Hartmann. Daher könnte eine weitere Eskalation der Eurokrise und die Angst vor einem Auseinanderbrechen der Währungsunion Scharen neuer Interessenten zu den Edelmetallhändlern locken. Ein Preisanstieg dürfte allerdings erst später folgen, da die Probleme in der Eurozone den Wert des US-Dollars nach oben treiben dürften. „Wie man zuvor in Krisenzeiten wie 2008 gesehen hat, gibt es typischerweise eine Hinwendung zu Gold, sobald klar wird, wie das Szenario aussehen wird“, so Marcus Grubb vom WCR.

Aber selbst nach einer Lösung der aktuellen Probleme in Europa stehen die strukturellen Verwerfungen der Industriestaaten erneut im Vordergrund. Die Staatshaushalte ächzen unter Schuldenbergen, das Wirtschaftswachstum ist schwach, die Arbeitslosigkeit hoch. Die Notenbanken werden daher ihre expansive Geldpolitik unter anderem mithilfe niedriger Zinsen noch lange fortsetzen müssen — auch wenn der Preis dafür Währungsschwäche und Inflation sein sollte. Es ist nicht auszuschließen, dass die US-Zentralbank aufgrund der zuletzt etwas schwächeren Konjunkturdaten in wenigen Monaten den Geldhahn erneut weiter aufdrehen wird. Mit dem Quantitative Easing 3 (QE3) könnte auch der US-Dollar wieder unter Druck geraten und der Goldpreis somit mehr Rückenwind erhalten.

Verschiedene Wege zum Gold
Für Anleger gibt es verschiedene Wege, von einem goldenen Comeback zu profitieren. Dazu zählen Exchange Traded Commodities (ETCs), die die Goldpreisschwankungen eins zu eins mitmachen. Die börsengehandelten Schuldverschreibungen sind mit Gold hinterlegt, das in Tresoren gelagert wird und dem Anleger auf Wunsch auch ausgeliefert wird. Nachteil: Je nach Anbieter variieren die Sicherheiten und die Bedingungen für eine Lieferung des hinterlegten Edelmetalls. Für sehr risikobereite Investoren lohnt auch ein Blick auf die Goldminenaktien, die in den vergangenen Jahren der Entwicklung des Goldpreises hinterherhinkten. Sicherheitsorientierten Anlegern, die sich gegen Turbulenzen absichern wollen, rät Solit-Geschäftsführer Vitye, das Edelmetall in Form von Münzen oder Barren zu kaufen. Der Zugriff auf dieses Vermögen ist im Vergleich zu anderen Investmentformen relativ einfach. Robert Hartmann empfiehlt, außer in Gold auch in Silber zu investieren, das zuletzt ebenfalls sehr stark unter die Räder gekommen ist. Beide Edelmetalle zusammen sind ohnehin die richtige Mischung für Gewinner. So erhält Roger Federer bei einem Gewinn des olympischen Tennisturniers keine reine Goldmedaille: Die knapp 150 Gramm schweren Auszeichnungen enthalten nur rund sechs Gramm Gold, der Rest besteht aus Silber.