Die Geheimsprache der Gemmologie Der Diamant als Anlageobjekt
Diamant ist nicht gleich Diamant, jeder Stein ist einzigartig. Der Wert hängt von einer langen Kette von Eigenschaften ab. Die wichtigsten beginnen mit C.
Langwieriger Prozess
Um den Wert eines Steins zu ermitteln, reicht ein routinierter Blick allerdings nicht aus. „Die Beurteilung eines Diamanten hinsichtlich seiner Farbe, Reinheit, Proportionen und des Schliffs führt zu einer Gesamtbewertung, die den Preis bestimmt“, erklärt Alexandra Breuer. „Das ist eine der schwierigsten Aufgaben in unserer Branche.“ Breuer ist Edelsteinkundlerin, in der Fachsprache heißt das Gemmologin. Das Gewicht eines Edelsteins wird in Karat angegeben. Gemmologen würden nie von einem 0,2-Gramm-Stein sprechen, wenn sie einen Einkaräter unter die Lupe nehmen. Für eine einheitliche Terminologie in der Branche sorgt auch die Internationale Vereinigung Schmuck, Silberwaren, Diamanten, Perlen und Edelsteine (CiBJO). Ihr gehören Dachorganisationen aus 20 Ländern an, die sich bereits 1979 auf Standards und Handelsvorschriften für Edelsteine geeinigt haben. In ihren Statuten ist festgelegt: Das Gewicht eines Diamanten ist in Karat (ct.) mit zwei Stellen hinter dem Komma anzugeben. Zwar wiegen Karatwaagen auf ein Tausendstel Gramm genau, doch aufrunden ist nur erlaubt, wenn die dritte Kommastelle eine Neun ist. Sind mehrere Diamanten in einem Schmuckstück verarbeitet, muss das Gesamtgewicht angegeben werden. Bei einem gut proportionierten runden Stein können Experten das Gewicht annähernd über die Größe feststellen. Gemessen wird entlang mehrerer Achsen. Ein Einkaräter hat etwa 6,5 Millimeter Durchmesser. Zum Vergleich: Zirkonia, ein sehr ähnlicher, synthetischer Stein, kommt bei gleichem Gewicht nur auf 5,4 Millimeter Durchmesser. Ein echter Diamant dieses Durchmessers würde nur etwas mehr als ein halbes Karat auf die Waage bringen.
Doch Größe und Gewicht sind nur ein Teil des Prüfprozesses. Es kommt auch auf die Proportionen an. Sogenannte Bluffsteine etwa sind zwar groß, aber breit und flach. Deshalb glänzen sie nicht wie ein Brillant. Von „Swindelstones“ spricht die Branche bei Einkarätern, die zwar glänzen und reflektieren, aber durch ungleichmäßige Proportionen nicht auf das Maximum an Brillanz kommen. Swindelstones haben kleinere Durchmesser, dafür dicke und lichtschluckende Rundisten. Die Rundiste ist die Kante, die die obere Hälfte des Diamanten von der unteren trennt und damit die breiteste Stelle, die den Umfang angibt. Über die idealen Proportionen, die dem Stein nach dem Schliff das Maximum an Glanz bringen, wird bis heute gestritten. Bis der Stein der Weisen gefunden ist, richtet sich die Fachwelt nach der Einteilung des International Diamond Council von 1978. Mit „sehr gut“ bewertet werden Steine, bei denen die Tafel (also die Oberfläche) eine Größe von 56 bis 66 Prozent der Rundiste hat. Die Oberteilhöhe zwischen Rundiste und Tafel sollte bei elf bis 15 Prozent liegen, die Unterteilhöhe bei 42 bis 45 Prozent. Denn mit dieser Proportion und dem richtigen Schliff wird das „Feuer“ des Diamanten entzündet. Durchgesetzt hat sich der klassische Brillantschliff. Er wird durch 32 Facetten um die zentrale Tafel auf dem Oberteil des Steins und 24 Unterteilfacetten charakterisiert.
Mit „Feuer“ ist die Streubrillanz des Spektralfarbenspiels gemeint, das durch Brechung und Reflexion des Lichts auf den geschliffenen Flächen entsteht. Wie mit einem Prisma wird das einfallende Licht in seine Spektralfarben zerlegt. Ginge es nach der Schmuckvereinigung CiBJO, dürfte sich nur ein runder Diamant mit klassischem Schliff als Brillant bezeichnen. Doch so genau nehmen es die wenigsten. Auch Tropfen-, Oval- oder Herzformen brillieren. Pingelig dagegen ist die Branche bei der Farbe (Colour). Diamanten sind Naturprodukte. Es gibt sie in Rosa, Rot, Grün und Blau, aber nur extrem selten. Vor allem bei Liebhabern dieser Raritäten erzielen die „Fancy Colours“ hohe Preise. Vergleichsweise häufig, aber weniger beliebt sind dagegen Steine mit Gelbsättigung. Hier gilt: je farbloser, desto besser. Und auch weiß ist nicht gleich weiß. Während man die Farbe nur mit einem geschulten Auge oder einem speziellen Messgerät bestimmen kann, ist die Reinheit (Clarity) eines Diamanten vergleichsweise einfach zu ermitteln. Je weniger Einschlüsse ein Diamant hat, desto wertvoller ist er. Die maßgebliche Reinheitsskala des Gemological Institute of America (GIA) geht davon aus, dass der Stein mit einer Lupe mit zehnfacher Vergrößerung begutachtet wird. „Imperfect 3“ bedeutet zahlreiche Einschlüsse, die mit bloßem Auge zu erkennen sind. Die Abstufungen gehen über kleinere und minimale Einschlüsse bis hin zu „flawless“, frei von Einschlüssen oder lupenrein. Hanni Zimmermann vom Leihhaus Walther geht trotz eigener Sachkenntnis und Zertifikat auf Nummer sicher. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. Zum Abschluss der Bewertung kommt jeder Stein ins Diamantenprüfgerät. Da die Steine exzellente Wärmeleiter sind, zeigt die Widerstandsmessung, ob es sich wirklich um einen Diamanten handelt. „Wenn’s piept, ist er echt.“