Ist das wirklich Vanilleeis? ETF-Branche gelobt mehr Offenheit
Indexfonds sind einfach wie Vanilleeis, hieß es früher. Nun bemängeln Kritiker, dass ETFs immer komplexer werden. Doch die Branche wehrt sich. Sie hat sich selbst mehr Offenheit auferlegt und geht damit in die Offensive.
Verteidiger des Vanilleeises
So warnten 2011 mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und dem Finanzstabilitätsrat (FSB) gleich mehrere Organisationen vor den Gefahren synthetischer ETFs. Früher seien ETFs sichere und simple Investments gewesen, „plain vanilla“, wie es in der Börsensprache heißt. Nur seien die Produkte mittlerweile so komplex geworden, dass man nicht mehr von einfachem Vanilleeis sprechen könne, so der FSB. Am Montag legte die Europäische Wertpapieraufsicht (ESMA) nach. Handlungsbedarf sieht sie bei Swap-Geschäften und bei der Wertpapierleihe, die vor allem physische ETFs betreiben. Somit nimmt die ESMA, die sogar über Vertriebsbeschränkungen im ETF-Handel nachgedacht hatte, nun die gesamte Fondsbranche aufs Korn. Bis März sollen Branchenvertreter Stellungnahmen abgeben. Und die ETF-Anbieter sperren sich zumindest nicht prinzipiell gegen Reformen. „Neue Regeln für den ETF-Markt sehen wir grundsätzlich positiv“, sagt Heike Fürpaß-Peter von Lyxor ETFs. „Das bringt einen Vertrauensschub für die Branche.“ Bitter nötig ist dieser aber nicht. Denn während Anleger den aktiven Fondsmanagern den Rücken kehren, pumpen sie jedes Jahr mehr Geld in ETFs. Seit nach der Jahrtausendwende in Europa der erste Indexfonds aufgelegt wurde, haben sich mehr als 200 Milliarden Euro ETF-Vermögen angesammelt. Eine Vertrauenskrise sieht anders aus. Dennoch hat die Branche eine neue Offenheit für sich entdeckt und geht damit in die Offensive.
Anhänger der Offenheit
Denn die Sicherheitsbedenken, die etwa der FSB geäußert hat, zerren an den Nerven der erfolgsverwöhnten Branche. ETFs sind rechtlich Fonds, ihr Vermögen ist vor einer Pleite des Anbieters geschützt. Selbst bei synthetischen ETFs unterliegen nur zehn Prozent des Fondsvermögens einem Derivaterisiko, können also bei der Pleite des Swap-Partners komplett ausfallen. Jedoch sei oft unklar, durch welche Sicherheiten das Fondsvermögen gedeckt sei, da Anbieter ihre ETFs theoretisch auch mit illiquiden Wertpapieren besichern können, so die Kritiker. Zudem sei die Gegenpartei der Tauschgeschäfte oft die Konzernmutter, bei db X-trackers also die Deutsche Bank oder bei Lyxor die Société Générale. Das könne zu Interessenkonflikten führen. Kurz: Anleger könnten im Fall der Fälle auf Schrottpapieren sitzen. Thorsten Michalik von db X-trackers sieht das anders. Sein Unternehmen verwende eine Konstruktion, bei der das Derivaterisiko weitgehend ausgeschaltet und die ETFs bis zu 20 Prozent übersichert seien. Diese Sicherheiten lägen bei einer unabhängigen Depotbank. „Auf der Internetseite von db X-trackers ist seit Herbst 2010 täglich abrufbar, um was für Papiere es sich handelt. Der Vorwurf, dass dort toxische Papiere geparkt sind, ist hanebüchen“, sagt er. „In der Regel sind das Aktien großer Unternehmen aus den G 10-Staaten oder liquide Staatsanleihen. Die Qualität der Sicherheiten wird von Aufsichtsbehörden überwacht.“
Ähnlich äußert sich Heike Fürpaß-Peter. Lyxor habe sich eine Charta für mehr Transparenz und Sicherheit gegeben. Man könne auf der Internetseite die genaue Zusammensetzung der ETFs einsehen. „Für uns gelten die gleichen Regeln wie für aktive Fonds“, sagt sie. „Bei der Transparenz hinkt die Fondsbranche den ETF-Anbietern aber deutlich hinterher.“ Ein beliebter Seitenhieb, der gern mit dem Hinweis kombiniert wird, bei aktiven Fonds sei Wertpapierleihe übrigens üblich. Lyxor und db X-trackers haben diese dagegen eingestellt. Anders iShares bei seinen physischen ETFs. „Wir betreiben Wertpapierleihe und gehen damit auch transparent um“, sagt Sven Württemberger von iShares. „Als Sicherheiten verlangen wir erstklassige Aktien oder Staatsanleihen, die den Gegenwert der verliehenen Wertpapiere übersteigen und treuhänderisch verwaltet werden.“ Der Vorwurf, Anleger kämen im Fall einer Pleite nicht an die Papiere, greife also nicht.
Und die Anleger? Einer Umfrage des Analysehauses Morningstar zufolge scheint der Fall klar. Für 76 Prozent der Befragten war der Unterschied zwischen physischen und synthetischen ETFs „wichtig“. Dazu passt, dass die physischen Produkte des Marktführers iShares im vergangenen Jahr den höchsten Zulauf hatten. Auf der anderen Seite war ein ETF, der auf fallende Kurse beim deutschen Auswahlindex DAX setzt, 2011 der meistgehandelte Indexfonds beim Onlinebroker Comdirect. Auch gehebelte ETFs waren gefragt. Beides ist nur synthetisch darstellbar. „So konnten unsere Kunden während des Crashs im Sommer aktiv handeln“, sagt Henning Seeler von Comdirect. Wenn es heiß wird, scheint es für Anleger zweitrangig zu sein, wie das Vanilleeis hergestellt wird.