FondsDISCOUNT.de: Was zeichnet Ihrer Meinung nach den Markt für Erneuerbare Energien und speziell für Wasserkraft aus?
Jan Erik Schulien: Energie ist unerlässlich – als Garant für Wirtschaftswachstum aber auch für die Lebensqualität. Allerdings verknappen sich die bisher vorrangig zur Stromerzeugung eingesetzten fossilen Energieträger dramatisch. Grund hierfür sind – neben den begrenzten Ressourcen – auch die anhaltend stark wachsende Weltbevölkerung und Industrialisierung, insbesondere in den Schwellenländern. Zudem setzen fossile Energieträger erhebliche Mengen Kohlendioxid frei und tragen so maßgeblich zur globalen Erwärmung bei. Erneuerbare Energien bieten hier Lösungen in doppelter Hinsicht: Energiesicherung und Stromerzeugung auf eine klimaschonende Weise. So setzte sich die EU mit dem Programm 20-20-20 das Ziel, bis 2020 den Anteil Erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu steigern. Wasserkraft ist dabei die bewährteste und effizienteste Methode, erneuerbare Energie zu erzeugen. Bereits seit vielen Jahrtausenden nutzt die Menschheit die Kraft des Wassers zur Arbeitserleichterung, mit Einführung der Elektrizität entstanden auch die ersten Wasserkraftwerke, das erste in Nordengland im Jahr 1880. Unter den Erneuerbaren Energien ist Wasserkraft weltweit die am meisten genutzte.

Was macht Wasserkraft gegenüber anderen Erneuerbaren Energien so attraktiv?
Wasserkraft bietet gleich mehrere Vorteile: Der Entscheidende liegt in der Effizienz. Mit einem Wirkungsgrad von bis zu 95 % liegt Wasserkraft an der Spitze aller Energieerzeugungsarten. Zum Vergleich: Solarzellen moderner Photovoltaikanlagen haben derzeit einen Wirkungsgrad von bis zu 40 %, je nachdem, welche Zellen eingesetzt werden, der mittlere Wirkungsgrad einer Windkraftanlage liegt bei ca. 30 %. Ein weiterer Vorteil sind die hohen Volllaststunden, das heißt die Ausnutzung der Kraftwerke pro Jahr. Das Jahresvolllaststunden-Äquivalent liegt bei Wasserkraft zwischen 3.000 und 6.000, Photovoltaikanlagen erreichen 800 bis 1.000, Offshore-Windkraftanlagen haben um die 3.500 und Onshore-Windkraftanlagen um die 2.000. Last but not least haben Wasserkraftwerke eine sehr lange Lebensdauer von bis zu 100 Jahren.

Warum legen Sie den Investitionsschwerpunkt auf die Türkei?
Insbesondere bei Wasserkraft bietet die Türkei erhebliches unerschlossenes Potenzial. In Kerneuropa finden sich kaum noch geeignete Standorte für die Errichtung von neuen Wasserkraftwerken – anders als in der Türkei. Dort ist der Ausbau von Wasserkraft auch politisch gewünscht. Bis 2023 soll der Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in der Türkei 30 % betragen. Um diesen Ausbau zu fördern, garantiert die Türkei für Strom aus Wasserkraft einen Mindestpreis von 7,3 US-Cent pro Kilowattstunde. Seit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2005 lag der Strommarktpreis aufgrund der hohen Binnennachfrage jedoch stets deutlich über dieser Einspeisevergütung. Denn die Wirtschaft in der Türkei wächst: Im 1. Quartal 2011 hat das Wirtschaftswachstum der Türkei sogar China hinter sich gelassen. Dazu kommt, dass die Türkei seit 2010 an das europäische Stromnetz angebunden ist. Strom könnte also auch – zu besseren Konditionen – ins europäische Ausland exportiert werden. Aber wir gehen aufgrund des hohen Eigenbedarfs in der Türkei nicht von einem Stromexport aus.

Aber gilt die Türkei nicht als unsicherer Investitionsstandort?
Keineswegs. Bereits seit 1962 besteht ein sogenanntes Bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen Deutschland und der Türkei. Ausländische Investoren sind zudem seit 2003 durch das Foreign Direct Investment Law geschützt und inländischen Investoren gleichgestellt. Außerdem sind ausländische Investoren bereits seit Jahren erfolgreich in der Türkei tätig wie beispielsweise folgende Versorger: RWE, EOn, EnBW, Verbund oder Statkraft.

Welche Kriterien sind Ihnen bei der Auswahl der Zielobjekte besonders wichtig?
Neben volkswirtschaftlichen Voraussetzungen, wie etwa dem angesprochenen Investitionsschutzabkommen oder Mindesteinspeisegarantien, müssen die einzelnen Anlagen weitere Bedingungen erfüllen. So sollten die Kraftwerke zumindest den Status „ready to build“ aufweisen sowie unabhängige Studien zur Umweltverträglichkeit, Hydrologie und Geologie vorliegen. Zudem ist uns die technische Qualität sehr wichtig. Es müssen Hersteller-Performance-Garantien für Turbine und Generator sowie Vollwartungsverträge mit renommierten Anlageerrichtern und Betreibern vorhanden sein. Exemplarisch lässt sich das an unserem ersten avisierten Zielinvestment erläutern, welche die genannten Investitionskriterien erfüllt. Unser Zielobjekt verfügt darüber hinaus über alle nötigen Konzessionen und wird Anfang nächsten Jahres schlüsselfertig übergeben. Auch eine Stromeinspeisung in das europäische bzw. türkische Strom-Verbundnetz ist hier gesichert, zudem liegt eine staatlich garantierte Mindesteinspeisevergütung vor. Wir erwarten grundsätzlich, dass sich die Auszahlungen auf durchschnittlich 8,25 % p.a. belaufen, ab dem Jahr der Inbetriebnahme und ohne Berücksichtigung eines Verkaufserlöses, bei einer Laufzeit von 20 Jahren. Dies lässt sich mit dem Kraftwerk gut erfüllen: Zwei Staudämme im oberen Flussverlauf sorgen für eine gleichmäßig hohe Auslastung und eine Stromproduktion von etwa 150 GWh p.a. Insgesamt zeigt diese Sachwertinvestition sehr deutlich, wie gut Rentabilität und Nachhaltigkeit zusammen passen.

Herr Schulien, vielen Dank für das Gespräch!

Über Jan Erik Schulien:
Mit Fokus auf Wasserkraft ist Jan Erik Schulien innerhalb der Aquila Gruppe für die Akquise, das Investment-Management und das Strukturieren von Fonds verantwortlich. Er ist seit 2002 im Bereich der Erneuerbaren Energien tätig und bringt zwölf Jahre Erfahrung im Bereich der Wasserkraft in das Hydropower-Team ein. Vor seiner Position in der Aquila Gruppe war er als Energiehändler, Portfolio- und Fondsmanager für einen Stromerzeuger sowie für eine große deutsche Fondsgesellschaft aktiv. Jan Erik Schulien studierte Elektrotechnik, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft in Deutschland und Schottland.