Die Börsenindizes hängen in den letzten Monaten so stark am Ölpreis wie zuletzt vor 35 Jahren. Fast überall auf der Welt, wo die Aktienkurse fallen, machen Analysten auch den schwachen Ölpreis dafür verantwortlich. In der Vergangenheit war stets ein extrem hoher Ölpreis der Grund für sinkende Kurse. Dieser Umstand lässt den Schluss zu, dass sich die Korrelation von Ölpreis und Aktienmarkt verändert. Doch wie kommt es dazu?

Eine mögliche Antwort für dieses Phänomen liegt in der Preispolitik der Organisation der ölproduzierenden Länder (OPEC). Die OPEC hat in den vergangenen 18 Monaten den Ölpreis durch eine Überproduktion in den Keller getrieben, um Konkurrenten aus dem Markt zu verdrängen. Die Aktion richtete sich vor allem gegen Russland, das überdies noch durch die Sanktionen des Westens ihr Öl nicht in vollem Umfang exportieren konnte. Der Preiskampf richtet sich aber auch gegen die USA, die seit der Schieferöl-Revolution mehr Öl fördern – wenn auch zu höheren Produktionskosten – und den OPEC-Staaten damit auf dem Weltmarkt mehr Konkurrenz machen.

Die Saudis treiben US-Aktien in den Keller
Die OPEC-Staaten, allen voran Saudi Arabien, spekulieren darauf, dass Ölproduzenten aus den konkurrierenden Ländern das Handtuch werfen und ihre Produktion einstellen. In den USA ist das auch bereits in einem beträchtlichen Ausmaß geschehen. Mehr als 60 Ölunternehmen sind direkt von den niedrigen Preisen betroffen und können nicht mehr rentabel produzieren.

Was die Saudis dabei nicht bedacht haben ist die lange Dauer dieses Preiskampfes. Denn die niedrigen Preise haben zuerst einmal einen Innovations- und Effizienzschub in den Unternehmen ausgelöst. Saudi Arabien produziert aufgrund der hohen Ölvorkommen im Inland zwar so billig wie kaum ein anderes Land, doch die niedrigen Exportpreise des „schwarzen Goldes“ sorgen langfristig auch für ein Loch in der Haushaltskasse. Um eine Drosselung der Ölförderung so weit wie möglich in die Zukunft zu verschieben, müssen die Saudis auf andere Art Kasse machen. Also werden Assets verkauft, in diesem Fall US-Aktien aus dem Staatsfonds der Saudis. Eine Analyse des Sovereign Wealth Fund Institute (SWFI) hat ergeben, dass Staatsfonds in 2016 rund 400 Milliarden Dollar verkaufen werden, um an liquide Mittel zu kommen. Das ist doppelt so viel wie im Jahr zuvor. Betroffen sind die Staatsfonds aus Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Russland. Auch Norwegen hat im Januar erstmals Geld aus seinem Staatsfonds abgezogen. So kommt es dazu, dass in einem Umfeld fallender Ölpreise auch die Aktienkurse in den USA nachgeben.

Seit Anfang Dezember bewegen sich der US-amerikanische Aktienindex S&P 500 und die Ölpreise an 44 von 60 Handelstagen in eine Richtung, berichtet Marketwatch. Wie Eric Bush von der Fondsgesellschaft GaveKal berichtet, ist die Korrelation zwischen Aktien und Ölpreis derzeit auf dem höchsten Stand seit 35 Jahren. Die unten aufgeführte Grafik veranschaulicht die Korrelation von Öl und MSCI World Index. Die 65-Tage-Linie ist leicht gefallen auf einen Stand von 41 Prozent. Die 200-Tage-Linie hingegen steigt und befindet sich ebenfalls bei 41 Prozent.


Diese Korrelation wird erst dann wieder nachlassen, wenn der Ölpreis sich stabilisiert. Erst dann werden die ölproduzierenden Staaten aufhören, als Market Maker den US-Aktien mit ihren Verkäufen zu drücken. Dann wird auch das Vertrauen der Investoren wieder zurückkehren.

Wann dieser Fall eintreten wird, ist schwer zu prognostizieren. Marktbeobachter gehen von einem globalen Überangebot von etwa 1,5 Millionen Barrel Rohöl aus. Selbst wenn sich alle großen Ölproduzenten darauf einigen, die Ölförderung nicht auszuweiten, wird es voraussichtlich noch etwas dauern, bis die hohen Lagerbestände abgebaut werden. Denn die Ölförderung liegt auf einem Rekordniveau. Von einer Drosselung der Fördermenge hat noch kein relevanter Akteur gesprochen. Fraglich ist auch, wie sich der Iran verhalten wird. Nach dem Ende der Sanktionen möchte Teheran seine Ölförderung wieder ausweiten. Auch der Irak ist angesichts der kritischen geopolitischen Situation mit dem Islamischen Staat auf seine Einnahmen aus der Ölproduktion angewiesen.

Lesen Sie im zweiten Teil:
Warum der US-Dollar nichts mehr mit dem Ölpreis zu tun hat