FondsDISCOUNT.de: Frau Dr. Bortenlänger, was ist aus Ihrer Sicht das Fatale an einer Aktiensteuer, wie sie Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant?

Christine Bortenlänger: Geplant ist, jeden Kauf von Aktien von Unternehmen, die einen Börsenwert von mehr als einer Milliarde Euro haben, mit der Steuer zu belegen. Dadurch wird die Aktie als Finanzierungsform, aber vor allem auch als Anlageinstrument an Attraktivität verlieren. Das ist fatal! Damit die Deutschen ihren Vermögensaufbau und ihre Altersvorsorge erfolgreich gestalten, müssen sie dringend deutlich mehr in Aktien investieren als bisher. Wer langfristig und breit gestreut sein Geld in Aktien angelegt hat, konnte in der Vergangenheit, Erträge von sechs bis neun Prozent jährlich erwirtschaften. Das ist die Botschaft, die die Politik unter die Menschen bringen muss, statt durch die Steuer so zu tun, als ob Aktienanlagen Spekulationsgeschäfte seien.


Welche Konsequenzen ergäben sich für Kleinaktionäre, wenn Scholz seine Pläne umsetzen könnte?

Die ursprüngliche Idee der Politik, den Finanzsektor mit der Finanztransaktionssteuer an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn auch wenn die Steuer bei den Finanzinstituten erhoben wird, werden diese die Steuer wie im Fall der Mehrwertsteuer an den Privatanleger weitergeben. Der Kauf von Aktien, aber auch der von Investmentfondsanteilen, Aktien-ETFs oder Riester-Fondssparplänen wird dadurch teurer. Betroffen davon sind die zehn Millionen Aktionäre und Aktienfondsbesitzer, die Aktien für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge nutzen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass alle diejenigen von der Aktienanlage abgeschreckt werden, die sich mit dem Gedanken tragen, ihr Geld mit Aktien ertragreich anzulegen.


Ihr Institut tritt seit 1953 für die Förderung der Aktienkultur ein. Ausgehend von den Wirtschaftswunderjahren haben sich die Zeiten mittlerweile massiv geändert: Obwohl Aktienbesitz noch immer nicht in der breiten Masse angekommen ist, führt an den Anteilsscheinen aufgrund der Zinspolitik kaum noch ein Weg vorbei. Mit der geplanten Aktiensteuer würde diese Anlage- und Vorsorgemöglichkeit jetzt allerdings unattraktiv. Das ist ein Dilemma. Welcher Ausweg bietet sich für Sparer an?

Die geplante Steuer macht die Aktienanlage unnötigerweise weniger attraktiv. Durch die Besteuerung sendet die Politik darüber hinaus ein falsches Signal an die Menschen in Deutschland. Trotzdem wird die Aktienanlage nicht unattraktiv. Wie unser DAX-Renditedreieck für die monatliche Geldanlage zeigt, waren – langfristig angelegt und breit gestreut – Durchschnittsrenditen von rund sieben Prozent jährlich möglich. Das schafft kein Sparbuch und kein Girokonto. Trotzdem liegen knapp 2,4 Billionen Euro des Geldvermögens der Deutschen auf schlecht verzinsten Konten. Nur rund acht Prozent des Geldvermögens werden dagegen in Aktien oder Aktienfonds angelegt. Wenn man die Inflation einbezieht, sparen sich die Deutschen mit Sparbuch und Co. arm. Hier muss die Politik ansetzen und sich öffentlich für die Aktienanlage einsetzen, statt die Menschen mit einer nicht zielführenden Steuer weiter zu vergraulen.


Welche Folgen erwarten Sie für den Finanzmarkt und die Altersvorsorge der Deutschen, wenn mehr Anlegern die Anlageklasse Aktien vergrault wird?

Wir alle wissen, dass uns aufgrund der demographischen Entwicklung eine Rentenlücke droht. Diese ließe sich, wie wir in einer Studie berechnet haben, durch den Einsatz von Aktien in der Altersvorsorge abfedern. Sollte die geplante Aktiensteuer von Herrn Scholz kommen, droht uns, dass die meisten Deutschen sich weiter von Aktien fernhalten und so im Alter ihren Lebensstandard nicht werden halten können.


Für den Finanzmarkt und den Finanzstandort Deutschland ist die Aktiensteuer Gift, weil sie die Finanzierung über die Börse verteuert. Die Liquidität in den betroffenen Börsenwerten wird in der Folge abnehmen. Für die betroffenen Unternehmen entstehen international, aber auch auf innereuropäischer Ebene klare Wettbewerbsnachteile. Während sich also der Kauf von beispielsweise Siemens-, BASF- oder SAP-Aktien verteuern würde, blieben Aktien von Amazon, Google oder Alibaba von der Steuer verschont. Das kann von der Politik nicht ernsthaft gewünscht sein.


Wenn Sie ein Gesetz für eine Börsensteuer verabschieden würden, was würde drinstehen?

Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen: Schweden hat in den 1980er Jahren im Alleingang eine Börsenumsatzsteuer eingeführt, also eine Steuer auf den Umsatz aus dem Handel mit Wertpapieren. Da rund 80 Prozent des Umsatzes abwanderte, beendete Schweden dieses Experiment Anfang der 90er Jahre wieder. Ähnliches droht mit der geplanten Aktiensteuer auf EU-Ebene oder bei einem etwaigen Alleingang Deutschlands. Sie können sich deswegen sicher sein, dass ich kein Gesetz verabschieden würde, das eine Börsensteuer zum Inhalt hätte.


Frau Dr. Bortenlänger, herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!