FondsDISCOUNT.de: Herr Hussy, Stimmungen und Erwartungen in Investments umsetzen, das klingt spannend! Wie kann man sich den Behavioral-Finance-Ansatz ganz praktisch vorstellen – können Sie ein Beispiel nennen?
Patrick Hussy: Gerne. Die Philosophie der Behavioral Finance lässt sich gut mit dem sogenannten Eisbergmodell erklären. Bei einem Eisberg ist nur die Spitze, die aus dem Wasser ragt, für alle sichtbar. An den Börsen sind dies Zahlen, Daten, Fakten auf die jeder schaut. Der Großteil des Eisbergs liegt aber unter der Wasseroberfläche. So ist es nach Einschätzung von Nobelpreisträger Robert Shiller auch an der Börse. Seiner Meinung nach sind nur 20 Prozent der Marktschwankungen fundamental erklärbar. Die Behavioral Finance schaut unter die Wasseroberfläche und konzentriert sich auf die restlichen 80 Prozent. Um die Behavioral Finance in der Praxis anwenden zu können bedarf es guter Daten. Seit mehr als 15 Jahren liefern wir bei sentix mit Europas größter Sentimentumfrage einen Echtzeit-Eindruck zu den Gefühlen, Gedanken und Handlungen der Anleger. Aus den Signalen, die sich aus dem Datenkranz ergeben, leiten wir eine Vielzahl von sentix-Indikatoren wie die kurz- und mittelfristigen Markterwartungen, den sentix Konjunkturindex oder auch das sentix Sektor Sentiment ab.

Nehmen wir das sentix-Sektor-Sentiment als Beispiel. Die Anleger werden dafür nach ihren Sechs-Monats-Erwartungen zu 19 europäischen Aktiensektoren befragt. Sie können angeben, was sie von dem jeweiligen Sektor halten. Immer wieder kommt es zu extremen Ausschlägen, so auch Mitte Januar 2017: Das Stimmungsbild für europäische Pharmatitel hat sich binnen weniger Wochen um 180 Grad gedreht und ist auf den niedrigsten Stand seit zwölf Jahren gefallen. Nach mehr als fünf Jahren Outperformance haben die Anleger entsetzt auf kritische Äußerungen des neuen US-Präsidenten Trump zur Preispolitik der Pharmabranche reagiert. Die Anleger, allen voran die Institutionellen, sind seit 2003 erstmals wieder pessimistisch für die Branche gestimmt. Diese Information ist wichtig, denn diese Einschätzungsänderungen führen regelmäßig zu Portfolioumschichtungen. Und die Kraft dahinter sollte nicht unterschätzt werden. Immerhin befragt sentix auch institutionelle Anleger, die mehr als 500 Milliarden Euro an Vermögen verwalten.

Wie machen Sie den Behavioral-Finance-Ansatz als Anlagestrategie nutzbar und welche Daten werden in der Sentix-Datenbank erhoben?
Extreme Sentiment-Werte sind als konträre Signale zu interpretieren. Für uns bedeutet das, antizyklisch zu denken und zu handeln. Anders formuliert identifizieren wir aus den Umfragedaten den Sentiment Value – also günstige Gelegenheiten am Markt, die auf ein Muster im Anlegerverhalten zurückzuführen sind. Diese nutzen wir gewinnbringend in den von uns betreuten Fonds. Wir handeln dabei sehr diszipliniert. Gute Kaufgelegenheiten gibt es also, wenn bei Anlegern Ängste und eine hohe Risikoaversion dominieren. Umgekehrt versuchen wir, Gewinne mitzunehmen, wenn die Anleger optimistisch und sorglos sind.

Je nach Anlageziel und Risikotoleranz unserer Fonds werden die Signale unterschiedlich umgesetzt. Aus unseren statistischen Untersuchungen wissen wir, welche Ertragspotenziale die jeweiligen Signale liefern. Zudem messen wir auch die historische Trefferquote der Signale. Sobald ein Signal vorliegt, investieren wir mit einer Zielquote. Gleichzeitig entscheiden wir, mit welchem Instrument die Strategie umgesetzt wird. Nehmen wir zum Beispiel unseren sentix Fonds Aktien Deutschland (ISIN: DE000A1J9BC9), der den DAX sehr effizient nachbildet und durch die gezielte Steuerung des Investitionsgrades einen Mehrwert zum DAX und zu ETFs liefert. Die Steuerung des Investitionsgrades erfolgt in einer engen Bandbreite zwischen 80 und 120 Prozent des Fondsvermögens mit DAX-Derivaten.

Die Datenerhebung und das darauf aufbauende Research werden in der sentix GmbH erarbeitet, ein Schwesterunternehmen der sentix Asset Management GmbH. In unseren Umfragen werden Anleger unter anderem zu ihren kurz- und mittelfristigen Markt- und Konjunkturerwartungen befragt. Unsere Umfrage hat eine beachtliche Reichweite: Mittlerweile nehmen mehr als 5.000 Anleger, darunter über 1.000 institutionelle Investoren aus dem Banken-, Versicherungs- und Fondsbereich teil. Wir können auf über 400 Signalgeber zurückgreifen. Diese liefern wertvolle Informationen zu verschiedenen globalen Aktienindizes, Renten-, Währungs- und Rohstoffmärkten. Aber auch Branchen- und Konjunkturtrends lassen sich messen und nutzen.

Letzten Herbst haben Sie Ihrem sentix Total Return – defensiv – (ISIN: DE000A1C2XH4, Auflage im Jahr 2010) mit dem sentix Total Return – offensiv – (ISIN: DE000A2AMN84) eine neue Variante an die Seite gestellt. Worin unterscheiden sich die beiden Fonds und welchen Anlegertyp wollen Sie damit ansprechen?
Die sentix Total Return-Familie spricht Anleger an, die eine attraktive Zins-Ersatz-Anlage suchen und mit einem Sicherheitsnetz an den Märkten agieren möchten. Die Strategien werden in beiden Fonds gleichzeitig umgesetzt, jedoch mit unterschiedlicher Akzentuierung. Wir gewichten sämtliche Positionen beim sentix Total Return – offensiv – doppelt so stark wie beim – defensiv –, wodurch wir auch das Alpha (Mehrertrag zum risikolosen Zins) unseres Ansatzes verdoppeln. Das Sicherheitsnetz liegt in der defensiv-Variante bei 90 Prozent, bei der offensiven Ausprägung bei 80 Prozent. Wir rechnen diese Untergrenze jeweils zum Jahreswechsel neu und erzielen damit langfristig eine Gewinnsicherung auf dem neu erreichten Mindestniveau. Die Fondspreis-Untergrenze bleibt von Jahresbeginn an für das laufende Börsenjahr konstant. Durch die beiden Varianten hat der Anleger die Möglichkeit, jederzeit zwischen den beiden Risikoausprägungen zu wechseln, ohne die Grundstrategie aufzugeben. Möchte der Investor seine Anlagestrategie defensiver gestalten und seine Wertuntergrenze von 80 auf 90 Prozent anheben, kann er zum sentix Total Return – defensiv – wechseln.
Neben den Wertuntergrenzen unterscheiden sich beide Total-Return-Fonds durch die unterschiedliche Gewichtung auch in Hinblick auf die mittelfristigen Ertragsziele und den maximalen Drawdown: Beim sentix Total Return – defensiv – streben wir ein Plus von rund drei Prozent p.a. zum Geldmarkt an, beim Total Return – offensiv – liegt die Latte mit einem mittelfristigen Plus von rund 5,5 Prozent pro Jahr etwas höher. Der maximale Drawdown liegt bei 8,6 Prozent bzw. 16,4 Prozent in der offensiven Fondsvariante. Beide Fonds folgen also derselben Investitionslogik: Sie weisen eine sehr geringe Korrelation zu den großen Assetklassen auf. Sie investieren risikokontrolliert in Aktien, Renten, Währungen und Rohstoffe wie Gold, Rohöl und Silber und können steigende wie fallende Kurstrends nutzen.

In welchen Marktphasen können die auf Börsenpsychologie basierenden sentix-Fonds ihre Stärke besonders ausspielen?
Die besondere Stärke liegt darin, dass wir auf den Marktfaktor „Börsenpsychologie“ setzen und damit eine andere Ertragsquelle nutzen. Es geht darum, die nächste Marktbewegung zu antizipieren, die sich im Anlegerverhalten ankündigt. Als Sentiment Value-Spezialisten können wir sowohl von steigenden wie auch von fallenden Märkten profitieren. Konträres Denken und konsequentes Handeln sind für uns entscheidende Erfolgsfaktoren. Unsere Investoren schätzen an uns, dass wir Erträge aus dem Markt erzielen, uns aber von Marktbewegungen differenzieren.
Wir können mit unseren Fonds zudem auf einen langjährigen, positiven Track Record verweisen. Insbesondere bei Stressphasen an den Märkten konnten wir uns positiv abheben. Ob Jahresanfangsschwäche 2016, den Schock um den Brexit im Sommer, die US-Wahlen im Herbst, die Eurokrise im Jahr 2012, der Sommercrash 2011 oder die Lehman-Pleite im Jahr 2008, die Investmentstrategie hat sich bewährt. Risikomanagement ist eben eine Königsdisziplin. Im Ergebnis stabilisieren wir die Portfolien unserer Kunden und nutzen eine eigenständige Ertragsquelle.

Bei Ihren Total-Return-Fonds arbeiten Sie mit einer Wertuntergrenze. Wie funktioniert das und welchen Vorteil hat dies für Ihre Anleger?
Die Wertuntergrenzen funktionieren im Grunde wie ein Airbag. Beim sentix Total Return – defensiv – liegt die Wertuntergrenze bei 90 Prozent, beim Total Return – offensiv – bei 80 Prozent. Das bedeutet, dass vom Jahresbeginn aus gerechnet die entsprechende Untergrenze als Schutz dient. Die Risikokontrolle hat in diesen Fonds oberste Priorität. Aus diesem Grund setzen wir gezielt Derivate ein, um die Risiken im Griff zu haben. Mit gewissem Stolz können wir aufzeigen, dass in allen Börsenjahren seit 2008 die Wertuntergrenze nie in Gefahr geriet, und das, trotz der vielen Krisen und Kapitalmarktkapriolen. Man denke dabei an die Lehman-Pleite oder den Brexit-Schock, die Untergrenzen haben wir nie auch nur annähernd berührt. Wir liefern unseren Investoren damit seit vielen Jahren Planungssicherheit auch in unsicheren Zeiten.

Ihr Rückblick auf das Börsenjahr 2016 – wie haben sich die sentix-Fonds im Lauf der letzten Monate geschlagen und was erwarten Sie für 2017?
2016 war für uns ein extrem wichtiges Jahr. Wir haben mit der Neuauflage zweier Fonds unsere Produktpalette erfolgreich ausgebaut. Alle unserer Fonds haben das sehr turbulente Börsenjahr 2016 mit positiver Wertentwicklung abgeschlossen. Besonders erfolgreich hat sich der sentix Fonds Aktien Deutschland entwickelt, der 2016 eine Wertsteigerung von 10,8 Prozent hingelegt hat, während der DAX nur ein Plus von 6,9 Prozent geschafft hat. Wir vergleichen diesen Fonds sehr stark mit ETFs (Exchange Traded Funds), die sich passiv am DAX orientieren. Durch die hohe Korrelation unseres Fonds zum DAX und den Mehrertrag zum Index ist der sentix Fonds Aktien Deutschland das deutlich smartere DAX-Investment. Die gute Performance spiegelt sich auch im Ranking wider: Bei Morningstar hat der Fonds nunmehr vier Sterne.
Für den Investor, der clever in globale Aktien investieren möchte, gibt es seit Oktober 2016 einen sehr interessanten Fonds. Der sentix Risk Return – A – (ISIN: DE000A2AMPE9) ist ebenfalls gut gestartet und hat sich mit einem Ertrag von rund fünf Prozent auch sehr gut entwickelt. Wir versprechen uns sehr viel von dem aktiven Ansatz.

Auch die Performance der Total Return Fonds kann sich sehen lassen. Der im Herbst 2016 aufgelegte sentix Total Return – offensiv – lag zum Jahresende deutlich über Erstausgabepreis. Die defensive Variante, der Total Return – defensiv – hat das Jahr mit einem Plus von 1,3 Prozent abgeschlossen. Neben diesen vier Fonds betreuen wir zudem noch zahlreiche Individualmandate (Spezialfonds). Aktuell verwalten wir als inhabergeführte Investmentboutique sentix Asset Management über 300 Millionen-Euro Assets under Management.

Für 2017 haben wir zehn Investmentideen in unserem sentix Jahresausblick „Aufbruch. Es kann nicht bleiben wie es ist!“ zusammengestellt. Vor dem Hintergrund der eher moderaten Erwartungshaltung der Marktteilnehmer, die sich in unserer Umfrage für die Jahresprognose gezeigt hat, sind wir als Contrarians für 2017 sehr positiv gestimmt. Wir erwarten beim DAX bis zur Jahresmitte einen Anstieg bis auf 14.000 Punkte. Darin liegt eine enorme Ertrags-Chance. Dem Aufbruch zu neuen Höchstständen dürfte aber – auch wegen einer restriktiveren Geldpolitik der großen Notenbanken – in der zweiten Jahreshälfte Ernüchterung in Form einer deutlichen Kurskorrektur folgen.

Mit Blick auf die Lieblinge an der Börse haben wir bereits im Herbst neue Favoriten ausgemacht. 2017 dürften die Banken von den anstehenden Zinssteigerungen und den positiven Konjunkturerwartungen profitieren und damit nach zehn Börsenjahren der Underperformance wieder auf die Gewinnerseite am Aktienmarkt wechseln. Neben den Banken sollten auch Automobilaktien zu den Favoriten gehören.

Herr Hussy, herzlichen Dank für dieses Interview!