Wie in jedem Jahr hat das Forum für Nachhaltige Geldanlagen (FNG) am 13.06.2024 den aktuellen FNG-Marktbericht veröffentlicht – ein Referenzwerk für nachhaltige Geldanlagen im deutschsprachigen Raum. Er soll Insidern der Finanzbranche, Privatanlegerinnen und -anlegern, Journalisten, Wissenschaftlern wie auch Politikern als Quelle für Informationen rund um nachhaltiges und verantwortliches Investieren dienen. Die Zahlen und beziehen sich jeweils auf das vergangene Jahr.


Für die Datenerhebung befragt FNG jedes Jahr Asset Manager, Asset Owner und Banken nach ihren nachhaltigen Assets, Anlagestrategien und Produkten. In diesem Jahr haben insgesamt 83 Teilnehmende bei der Befragung mitgemacht, 62 davon aus Deutschland, 21 aus Österreich.


Trend-Thema: Biodiversität


Bei der Befragung der Teilnehmenden wurde für den aktuellen Bericht erstmalig das Thema „Biodiversität“ mit aufgenommen. In der Pressemitteilung zum Marktbericht schreibt FNG: „Zahlreiche Studien, unter anderem der OECD warnen, dass sich der Rückgang von Biodiversität und der damit verbundenen Ökosystemleistungen negativ auf die Wertentwicklung von Finanzprodukten auswirken kann. Unter Biodiversität wird nicht nur die Vielfalt von Arten und Genen, sondern auch die Vielfalt von Ökosystemen verstanden.“


Der FNG-Marktbericht zeigt aber, dass bisher lediglich ein knappes Drittel (33 Prozent in Deutschland, 31 Prozent in Österreich) der Befragten Biodiversitätsrisiken in ihre Investmentprozesse integriert. Einer der Gründe ist die Datenlage und die fehlende Regulatorik: Dem Statement „Die aktuelle Regulierung deckt das Thema Biodiversität ausreichen ab. Weitere Regulierung wäre kontraproduktiv“ stimmen 20 Prozent voll oder teilweise zu. 49 Prozent stimmen (eher) nicht zu. Gleichzeitig stimmen 62 Prozent der Teilnehmenden der Aussage „Die Entwicklung von klaren Leitlinien seitens der Regulierungsbehörden wird dazu beitragen, Biodiversitätskriterien zu standardisieren“ zu, während 21 Prozent sich enthalten und 17 Prozent nicht zustimmen.  


Ein weiterer Grund dafür, dass Biodiversitätsrisiken noch nicht bei mehr Anbietern nachhaltiger Geldanlagen eine Rolle spielen, ist die fehlende explizite Nachfrage vonseiten der Anleger. Lediglich acht Prozent der Befragten schätzen die Nachfrage nach Biodiversitäts-Finanzprodukten als „sehr hoch“ ein.


In der Pressemitteilung kommentiert FNG-Geschäftsführerin Verena Menne: „Es ist erfreulich, dass rund ein Drittel der Befragten Biodiversität im Investmentprozess berücksichtigt. Es ist aber auch klar, dass das nicht ausreicht. Die gesamte Branche muss sich mit den Auswirkungen des drohenden Biodiversitätsverlusts auseinandersetzen. Als FNG setzen wir uns dafür ein, dies in der gesamten Finanzbranche auf die Agenda zu setzen.“


Trend-Thema: Ausschluss von Waffen und fossilen Energien


Im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat sich die Einstellung weiter Teile der Bevölkerung gegenüber Rüstung gewandelt. Wie die Tagesschau berichtet, glaubt der österreichische Finanzethiker Klaus Gabriel: „Rüstung wird zunehmend als etwas Positives gesehen einfach aus dem Grund heraus, dass man erkannt hat, dass die Verteidigung eines Hoheitsgebietes erforderlich ist oder auch die Abschreckung gegenüber möglichen Aggressionen notwendig ist.“ Dies hat zur Folge, dass es zur Diskussion steht, ob Rüstung als nachhaltiges Investment eingestuft werden kann oder sollte.


Im FNG-Marktbericht zeigt sich aber ein klares Zeichen gegen diesen Trend: In den Top-Ten der Ausschlusskriterien in Deutschland stehen an vorderster Stelle „ABC-Waffen“ sowie „Streubomben und Anti-Personen-Minen“ (je 84 Prozent), aber auch „Sämtliche Waffen“ gehören für 56 Prozent der Teilnehmenden zu den wichtigsten Ausschlusskriterien. Insgesamt hat der Rüstungsausschluss damit für die Teilnehmenden im Vergleich zu den Vorjahren sogar noch an Bedeutung gewonnen.


Ähnlich sieht es in Österreich aus, wo der Ausschluss sämtlicher Waffen mit 50 Prozent zum ersten Mal in die Top Ten geschafft hat. „ABC-Waffen“ teilt sich den zweiten Platz mit „Fossile Energieträger/Kohle“, während auf Platz eins „Streubomben und Anti-Personen-Minen“ mit 85 Prozent gleichauf liegen mit „Verstöße gegen Arbeitsrechte“ und „Verstöße gegen Menschenrechte“.


Die Top Ten zeigen – wie man am Beispiel Österreichs sieht –, dass auch der Ausschluss fossiler Energien für die Teilnehmenden an Bedeutung gewinnt. Und auch in Deutschland schaffen es „Fossile Energieträger/Kohle“ mit 80 Prozent locker auf die Liste.


Für FNG ist die Position der Befürworter von Rüstung zwar einigermaßen nachvollziehbar – das Bedürfnis nach Sicherheit sei für die Gesellschaft wichtig, so auch die gesicherte Energieversorgung. Dies sei aber längst nicht ausreichend, um Rüstung oder auch fossile Energien als nachhaltig einzustufen. Eine Investition sei nach wie vor möglich – nur eben nicht über nachhaltige Finanzprodukte.


Trendthema: Europa


Nachhaltige Geldanlagen aus dem deutschsprachigen Bereich investieren überwiegend in Europa. In Deutschland sind es 72 Prozent, in Österreich immerhin noch 51 Prozent. Als mögliche Gründe nennt FNG zum einen die sogenannte „Home Bias“ – ein höheres Vertrauen in Aktien der Heimat –, aber auch die fehlende Datenlage außerhalb der Industrienationen. 17 Prozent der Investments liegen bei deutschen Produkten in Nordamerika, in Österreich sind es mit 30 fast doppelt so viele. Zum Vergleich: Im „MSCI ACWI ESG Screened Index“ liegen 64 Prozent der Unternehmen in den USA. Interessant ist auch der vergleichsweise große Anteil an Emerging Markets (exkl. Asien) und Asien – sieben bzw. sechs Prozent – in österreichischen Produkten. Bei den deutschen sind es nur ein bzw. vier Prozent.


Sorgen um Rechtsruck und Anti-ESG-Bewegung


Bei der Frage nach möglichen Hemmnissen für die Entwicklung Nachhaltiger Geldanlagen zeigt sich, dass ein Großteil der Befragten den Rechtsruck, der sich unter anderem bei den Europawahlen am vergangenen Sonntag zeigte, mit Sorge betrachtet: Mehr als 70 Prozent sind der Meinung, die „Veränderung der politischen Mehrheiten auf nationaler und europäischer Ebene“ sei ein (sehr) wichtiger Faktor für ein mögliches Hemmnis. Denn gerade bei den rechten Parteien gibt es einen Trend zur Leugnung oder Verharmlosung der Klimakrise.


Branche blickt positiv in die Zukunft


Nichtsdestotrotz ist die überwiegende Mehrheit der Befragten (82 Prozent) davon überzeugt, dass den nachhaltigen Geldanlagen auch in diesem Jahr ein Wachstum bevorsteht. Lediglich zwei Prozent sind der Meinung, dass es 2024 einen Rückgang geben wird; 64 Prozent glauben an ein Wachstum von bis zu zehn Prozent, 15 Prozent an ein Wachstum von bis zu 20 Prozent und drei Prozent sogar an ein Wachstum von mehr als 20 Prozent.


Teilnehmende: Daten und Fakten


FNG hat für den aktuellen Bericht seine Definition der „Nachhaltigen Geldanlage“ erweitert: Nachdem im vergangenen Jahr ausschließlich Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds berücksichtigt wurden, welche als Artikel-8- oder Artikel-9-Produkte nach EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, kurz: SFDR) klassifiziert sind, gibt es in diesem Jahr eine Regelung, die auch solche Mandate und Spezialfonds mit einbezieht, die zwar als Artikel-6-Produkt klassifiziert sind, aber dennoch nachhaltige Anlagestrategien integrieren. Der Grund für die Erweiterung: Viele Mandate oder Spezialfonds stammen von kleinen Anbietern, welche den administrativen Aufwand und die Kosten, welche die strengeren Offenlegungs- und Reporting-Anforderungen mit sich bringen, nicht stemmen können oder wollen.


Aufteilung der Finanzprodukte nach SFDR und Eurosif


Das Ziel der von der EU herausgegebenen SFDR ist es, für Transparenz bei Anlegerinnen und Anlegern in Sachen Nachhaltigkeit zu sorgen und Kapitalflüsse in nachhaltige Anlagen zu lenken. Die Klassifizierung der Produkte nehmen deren Anbieter selbst vor. Bei einer Klassifizierung als Artikel-8- oder Artikel-9-Produkt unterliegen die Anbieter umfassenden Offenlegungs- und Reporting-Anforderungen.



Aufteilung nach SFDR-Kategorisierung im FNG-Marktbericht 2024





































 



Deutschland



Österreich



 



Publikumsfonds



Mandate und Spezialfonds



Publikumsfonds



Mandate und Spezialfonds



Artikel 6



0 %



20 %



0 %



0 %



Artikel 8



91 %



76 %



94 %



100 %



Artikel 9



9 %



4 %



6 %



0 %



Eine alternative, detailliertere Klassifizierung bietet das European Sustainable Investment Forum (Eurosif). Die Eurosif-Methodik unterscheidet zwischen vier „Ambitionskategorien“. Aufsteigend von niedrigem zu hohem Ambitionsniveau: Basic ESG, Advanced ESG, Impact Aligned und Impact Generating. Der Unterschied zur Offenlegungsverordnung liegt nicht allein in den kleinschrittigeren Abstufungen – es kommen auch Unterschiede beim Investmentansatz und der Performance-Messung zum Tragen.


Aufteilung nach Eurosif-Kategorisierung im FNG-Marktbericht 2024





























 



Deutschland



Österreich



Basic ESG



59,3 %



41,5 %



Advanced ESG



3,7 %



22,1 %



Impact-Aligned



36,3 %



35,1 %



Impact-Generating



0,7 %



1,3 %