Die neueste und seit langem spektakulärste Entwicklung in der medizinischen Biotechnologie kommt aus der Erforschung der Immunschwächekrankheit Aids. Der Forscher Joachim Hauber am Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie in Hamburg hat gemeinsam mit Kollegen um Frank Buchholz vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie in Dresden ein Verfahren entwickelt, das menschliche Erbgut von HI-Viren in infizierten Zellen komplett zu entfernen. „Dabei benutzen sie das Enzym Rekombinase als molekulare Schere, die mithilfe eines biotechnologischen Verfahrens so optimiert wurde, dass sie das Viren-Erbgut zielgenau erkennt und aus dem Genom betroffener Zellen herausschneidet“, schreibt die Informationsplattform Biotechnologie.de der Biocom AG.

Schätzungen zufolge leiden weltweit rund 40 Millionen Menschen an Aids. Bestehende Medikamente können die Krankheit bislang nur in Schach halten, aber nicht bekämpfen. Das könnte sich mit der neuen „Aids-Schere“ aus Deutschland bald ändern. Die Entwicklung verdeutlicht, welch enormes Potenzial in Unternehmen der Biotech-Branche steckt.

Das Beispiel ist jedoch nur eines von vielen für die Möglichkeiten, die sich durch den Fortschritt der Biotechnologie als disruptive Technologie für die Menschheit ergeben. Hochmoderne Entwicklungen wie die DNS-Sequenzierung – die gezielte Manipulation des menschlichen Genoms – bergen enormes Potenzial für die Bekämpfung bislang unheilbarer Krankheiten. Unternehmen aus der Biotech- und Pharmabranche spezialisieren sich auf die Entwicklung dieser Technologien und die Herstellung neuer Medikamente. Doch was genau verbirgt sich hinter den modernen, aber abstrakten Begriffen Biotech, Life Science und Healthcare? Welche Unternehmen bergen das größte Wachstumspotenzial? Und welche Fonds sind in diesen Zukunftsbranchen investiert?

Was ist Biotech?
Biotech kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Der Begriff stützt sich nicht nur auf die Biologie, sondern auch auf Biochemie, Physik, Chemie, Verfahrenstechnik, Materialwissenschaften und Informatik. Bei einem derart großen Feld ist eine Definition nicht ganz einfach. Die OECD hat es trotzdem versucht: Der Kern der Biotechnologie ist ihr zufolge die Anwendung von Wissenschaft und Technik auf lebende Organismen – also auf Pflanzen, Tiere und Menschen.

Die meisten der in Deutschland ansässigen etwa 500 Biotechnologie-Unternehmen nutzen die Erkenntnisse und Methoden aus der Molekularbiologie. Seit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms im Jahr 2001 untersuchen die Wissenschaftler, welche Gene für die Produktion bestimmter Moleküle zuständig sind. Anhand dieser Zusammenhänge lassen sich zum Beispiel neue Medikamente entwickeln.

Ein klarer Schwerpunkt der Biotechnologie liegt in der Medizin, in der knapp die Hälfte aller Unternehmen tätig ist. Die industrielle Biotechnologie nimmt einen Anteil von etwas mehr als zehn Prozent ein, die sich zum Beispiel mit der Produktion neuer Biomaterialien beschäftigen, bis hin zur Entwicklung von Kosmetika und Waschmittel. Nur etwa 4,5 Prozent sind im Bereich der Agro-Biotechnologie tätig und beschäftigen sich unter anderem mit der Züchtung neuer Pflanzensorten. Knapp fünf Prozent sind dem Feld der Bioinformatik zuzuordnen, das immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Unternehmen, die Medikamente gegen Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Krebs entwickeln, bergen enormes Wachstumspotenzial. Das ist nicht nur für die Behandlung von Krankheiten von Vorteil, sondern mittlerweile auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Biotechnologisch hergestellte Medikamente machen mittlerweile über 20 Prozent des Umsatzes der Pharmaindustrie in Deutschland aus, berichtet der Verband forschender Arzneimittelhersteller.



Biotech-Aktien: Vom Boom in die Krise?
In den vergangenen Jahren hat die Biotech-Branche enorme Zuwächse – aber auch eine deutliche Korrekturphase – verzeichnen können und müssen. Das bekannteste Branchenbarometer, der Nasdaq Biotech Index, ist seit Mitte 2015 um rund ein Drittel eingebrochen (siehe Grafik, oben). Der Grund: In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Patente für wichtige Medikamente der großen Pharmagesellschaften ausgelaufen. Die Entwicklung von Generika-Präparaten hat die Preise dieser Arzneien gedrückt. Damit sind auch die Einnahmen der Unternehmen gefallen.

Ein weiterer Grund: Der Hillary-Effekt. Die aktuelle Spitzenkandidatin für die Demokraten im US-Präsidentschaftswahlkampf hatte im vergangenen Jahr öffentlich verkündet, die Medikamentenpreise in den USA regulieren zu wollen. Bislang sind Biotech-Unternehmen an keine Richtlinien gebunden. Die Aussage Hillary Clintons war ein Schock für die gesamte Branche.

Nach einer leichten Erholung hat die Biotech-Branche durch den schlechten Jahresstart für Aktien wieder deutlich verloren. Die Zulassungshürden für neue Medikamente sind hoch, daher ist es durchaus möglich, dass zunächst vielversprechende Entwicklungen in späteren klinischen Zulassungsstudien scheitern können. Daher lautet die Devise für Privatanleger: „Abwarten!“ Entscheidend ist die Identifizierung der Unternehmen, die finanziell solide aufgestellt sind und mit mehr als nur einer vielversprechenden Entwicklung in die Zukunft starten.

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MainFirst: Auf die richtigen Biotech-Entwicklungen setzen