Das Ende der politischen Risiken Durchatmen bis zur Italien-Wahl in 2018
Die Reaktionen nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich sind überwiegend positiv. Jetzt heißt es: Durchatmen bis zur Italien-Wahl in 2018. Denn für die Wahlen in Großbritannien und Deutschland werden keine großen Überraschungen erwartet.
Valentijn van Nieuwenhuijzen, Chef-Stratege und Head of Multi Asset bei der niederländischen Gesellschaft NN Investment Partners kommentiert den Wahlausgang wie folgt:
„In Europa dürfte der Sieg Macrons in weiten Kreisen erleichtert aufgenommen werden, da er die derzeitige Erholung der Wirtschaft begünstigen dürfte. Das Ergebnis ist als positives Signal für eine konstruktivere politische Zusammenarbeit in Europa anzusehen. Es bestätigt, dass der Populismus in Europa zwar eine Gefahr bleibt, aber die Richtung der Regierungspolitik nicht in gleichem Maße bestimmt wie in Großbritannien oder den USA. Macrons Erfolg als Präsident – vor allem im Hinblick auf seine innenpolitischen Vorhaben – wird vor allem vom Ausgang der Parlamentswahlen im Juni abhängen. Vorerst sehen wir das Ergebnis als moderat positiv für die Märkte an, zumal die gute Nachricht von Macrons Wahlsieg in den vergangenen Wochen bereits weitgehend eingepreist wurde.“
Philip Dicken, Leiter des Bereiches europäische Aktien bei Columbia Threadneedle Investments, prognostiziert nach dem Wahlsieg Macrons ein gutes Ergebnis für die Märkte:
„Sein Vorhaben, die EU von innen heraus zu reformieren, könnte ein positiver Faktor sein. Als glühender Europäer könnte er jedoch dafür sorgen, dass der Brexit für die Briten härter wird (…) Wir erwarten ein relativ geringes Marktrisiko von den anstehenden Parlamentswahlen in Frankreich, dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Die nächste Parlamentswahl in Italien könnte problematischer werden, dürfte aber nicht vor 2018 stattfinden.“
Paul Hatfield, Global Chief Investment Officer bei Alcentra, einer Boutique von BNY Mellon Investment Management erklärt sogar den Populismus in Europa für tot:
„Da der Populismus in Europa nun praktisch tot ist, könnte sich die Stimmung seitens der Anleger weiter verbessern und das Kaufinteresse an Risikopapieren deshalb ansteigen“. Raman Srivastava, stellvertretender Global Chief Investment Officer der BNY Mellon-Boutique Standish, ergänzt: „Unserer Meinung nach werden die Zinsdifferenzen von Staatsanleihen aus den Peripheriestaaten nun weiter schrumpfen. Gleiches gilt auch für die Spreads von Unternehmensanleihen. Darüber hinaus erwarten wir, dass sich der Euro erfreulich entwickeln wird. Allerdings rechnen wir auch mit einem erneuten Abverkauf deutscher Bundesanleihen, weil der Trend hin zu sicheren Wertpapieren, der noch vor der Wahl zu beobachten war, nun allmählich nachlässt.“
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Hintergrund: Reformen oder Stillstand in Frankreich?
Macron präsentierte sich im Wahlkampf als unabhängiger Kandidat seiner eigenen politischen Bewegung „En Marche!“ Er verspricht Wirtschaftsreformen und staatliche Ausgabensenkungen und will Frankreich in einer stärkeren Europäischen Union und im Euro halten, wodurch er für die großen politischen Parteien in Frankreich sehr viel akzeptabler ist als Marine Le Pen. Auch für die Finanzmärkte ist Macron der bevorzugte Kandidat. Er tritt für eine stärkere Integration und die Schaffung einer europäischen Regierungsstruktur mit eigenem Budget und einer gemeinsamen Fiskalpolitik ein.
Das Programm des europafreundlichen Macrons deutet darauf hin, dass er das nordische Modell nach Frankreich importieren will. Dabei geht es um eine Kombination aus Strukturreformen, um die Wirtschaft flexibler zu machen, und staatlicher Unterstützung bzw. Anreizen, um die Investitionen zu erhöhen. Die Staatsausgaben sollen in fünf Jahren um 60 Milliarden sinken. 120.000 frei werdende Stellen von Staatsbediensteten sollen nicht neu besetzt werden. Macron schlägt Steuersenkungen und einen Investitionsplan mit einem Volumen von 50 Milliarden Euro vor und betont, dass Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit erhöht und Innovation gefördert werden sollen. In der Steuerpolitik will er eine Senkung des Unternehmensteuersatzes von 33,3 Prozent auf 25 Prozent (dem europäischen Durchschnitt) und niedrigere Arbeitskosten erreichen. Zugleich sollen die Umweltabgaben erhöht werden.
In Frankreich werden nach den Präsidentschaftswahlen die Parlamentswahlen abgehalten. In welchem Umfang Macron seine politischen Vorhaben umsetzen kann, hängt von den Parlamentswahlen im Juni ab. Er wird Unterstützung im Parlament benötigen, um die dringend benötigten Strukturreformen voranzutreiben. Derzeit verfügen die Sozialisten von François Hollande über eine Mehrheit im Parlament (289 von 577 Sitze), was sich aber Umfragen zufolge ändern dürfte. Die Republikanische Partei, die derzeit 198 Abgeordnete stellt, könnte bei den Wahlen eine deutliche Mehrheit erringen.
Der Präsident kann den Premierminister ernennen, der aber über eine Mehrheit im Parlament verfügen muss. Macrons Partei „En Marche!“ wird vermutlich keine Mehrheit im Parlament bekommen. In diesem Fall müsste Macron einen Premierminister ernennen, der eine Koalitionsregierung bilden müsste. In der Vergangenheit führte dies in Frankreich zu einer politischen Lähmung. Macron muss sich im Volk eine breite Unterstützung für Arbeitsmarktreformen sichern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Widerstand treffen wird. Da sich jedoch die politische Landschaft in Frankreich im Fluss befindet, ist es durchaus möglich, dass sich Macron auf eine Koalition aus seiner eigenen Partei und moderaten, reformorientierten Vertretern anderer Parteien stützen kann.
Ob es in Frankreich nun Reformen oder Stillstand gibt ist für die Märkte im laufenden Jahr zweitrangig. Die politischen Risiken im Jahr 2017 scheinen also zunächst einmal überwunden zu sein, denn die Marktteilnehmer erwarten auch von der Bundestagswahl in Deutschland im September keine großen Reaktionen an den Finanzmärkten. Denn Umfragen zufolge wird es eine neue große Koalition unter Kanzlerin Merkel geben. Selbst wenn Martin Schulz die Überraschung gelingt, die CDU zu schlagen, wird es ebenfalls zu einer großen Koalition kommen, da die kleineren Parteien derzeit für eine Regierungsbildung gegen die CDU/CSU-Fraktion zu schwach sind. Die rechtspopulistische AFD kommt derzeit auf nur neun Prozent der Stimmen - im Vergleich zum Frankreich-Risiko durch den Front National ist dieses Ergebnis für die Märkte jedoch uninteressant. Theresa May wird in Großbritannien vermutlich ihre Macht gegen ihren Herausforderer Jeremy Corbin ausbauen. Politisch interessant wird es daher voraussichtlich erst, wenn Italien im Jahr 2018 eine neue Regierung wählt.