Sie geben an mittels eigener Studien festgestellt zu haben, dass die Kombination von Value und Nachhaltigkeit langfristig überdurchschnittliche Erträge bringen kann. Wie sind Sie zu diesem Ergebnis gekommen?
Rainer Unterstaller: Leider lassen sich statistische Belege für überdurchschnittliche Erträge nur schwer finden, einfach deswegen, weil viele der Nachhaltigkeitsziele erst in den letzten Jahren definiert wurden und darum in der Vergangenheit nicht getestet werden können. Wir haben ganz pragmatisch für die Firmen, die ESG-positiv sind und darüber hinaus nachhaltige Produkte oder Serviceumsätze erzielt haben, die Performance im abgelaufenen Jahr und über die letzten 5 Jahre angeschaut – Kriterium für Kriterium. Bei den ESG-Kriterien gibt es ein gemischtes Bild – manche Kriterien sind performancestärkend, manche performancereduzierend. Ganz klar und deutlich jedoch die Aussage zu der SDG-Produktpalette: Je höher der Anteil von SDG-Umsätzen am Gesamtumsatz, desto höher die Performance. Die Größenordnung der Outperformance liegt bei 2% p.a. und mehr. Die Erklärung erscheint einfach. SDG-Produkte werden zunehmend nachgefragt – und das treibt den Erfolg der Firmen, in die wir investieren, nach oben. Das erklärt auch umgekehrt, warum bei vielen erfolgreichen Firmen auch eine Nachhaltigkeit vorhanden ist – nämlich weil die Produktpalette zukunftsorientiert und damit „sustainable“ ist.
Acatis nutzt Künstliche Intelligenz im Anlageprozess: Wird KI auch im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit eingesetzt ?
Derzeit wird Künstliche Intelligenz bei der Nachhaltigkeit nicht eingesetzt.
Haben Sie Kenntnis, welche Investorengruppen Ihre Fair Value-Fonds besonders nachfragen?
Die Gruppe der Investoren ist breit gefächert. Sie reicht vom Privatkunden über Vermögensverwalter, institutionelle Kunden und Versorgungswerke bis hin zu Family Offices. Interessant ist der Fonds vor allem für diejenigen, die ihr Geld dorthin lenken möchten, wo sinnvoll damit gearbeitet wird und die Wert auf einen Nachhaltigkeitsansatz legen, der neben ESG-Kriterien auch die SDG-Themen beinhaltet. Mit seinen sieben verschiedenen Anteilklassen, die beispielsweise in EUR, CHF und USD notieren und verschiedene Mindestanlagebeträge haben, trägt der Fonds vielen Anlegergruppen Rechnung.
Zur aktuellen Fondszusammensetzung des Acatis Fair Value Aktien Global (ISIN: LI0017502381): Ein Versicherer (Berkley) und ein Finanzdienstleister (Grenke) bilden die beiden größten Positionen im Fonds. Was zeichnet diese Titel als (besonders) nachhaltig aus?
W.R. Berkley und Grenke haben ein positives ESG-Rating, besonders im Bereich der Unternehmensführung. Grenke ist zudem im Bereich Soziales gut unterwegs. Durch ihre Produkte oder Dienstleistungen leisten beide Unternehmen auch einen positiven Beitrag zu drei Sustainable Development Goals: keine Armut, menschwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, weniger Ungleichheiten. Die Gewichtung eines Titels im Fonds ist allerdings unabhängig von seiner Stufe des Nachhaltigkeitsrating.
Sie haben BYD im Portfolio, nicht aber Tesla. Lässt sich daran Ihr Value-Ansatz beispielhaft erläutern? Warum der chinesische Hersteller, warum nicht Tesla?
Die Entscheidung für BYD und nicht für Tesla erklärt sich nicht aus Nachhaltigkeits-, sondern aus Bewertungsthemen. Während Tesla unserer Ansicht nach hoffnungslos überbewertet ist - jedes verkauftes Auto wird mit 300.000 Euro Börsenwert belohnt - so kostet BYD an der Börse nur ein Fünftel des Börsenwertes von Tesla, produziert jedoch etwa die gleiche Stückzahl elektrischer Fahrzeuge, dazu konventionelle Autos und Batterien. BYD ist also viel billiger als Tesla.
Sie betonen auch Staaten intensiv zu screenen. Mit mehr als 37 Prozent ist der Fonds aktuell in US-amerikanischen Aktien investiert. Wie lautet Ihr Rating-Ausblick für die USA und hätten Rating-Änderungen Auswirkungen?
Der Acatis Fair Value Aktien Global ist ein reiner Aktienfonds. Das Nachhaltigkeitsrating von Staaten wird nur für Anleihen von Staaten, Gebietskörperschaften und staatsnahen Unternehmen verwendet. Es hat keine Bedeutung für die Aktien eines Unternehmens aus einem Land. Würde es auf sie ausgeweitet, wären Titel aus rund 60 Ländern, zum Beispiel aus den USA, China, Frankreich, Großbritannien, der Schweiz und Japan nicht investierbar. Diese Länder verstoßen gegen die Acatis Fair Value Kriterien für Staaten. Das kann der Besitz von Atomwaffen, der Vollzug der Todesstrafe, ein Anteil an Atomstrom von mehr als 15 Prozent oder ein hoher Wert des Korruptionswahrnehmungsindexes sein. Das Nachhaltigkeitsrating für die USA (Staatsanleihen) bleibt schon wegen des Besitzes von Atomwaffen oder dem Vollzug der Todesstrafe auf Ausschluss. Aber auch die Kündigung des Pariser Klimaabkommens ist aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ein No-Go für ein Investment in US-Staatsanleihen.
Welche SDGs werden aktuell durch Werte im Fonds befördert? Suchen Sie aktiv nach passenden Werten für bestimmte Goals, die Sie als besonders wichtig erachten? (Anm. d. Red.: SDGs = Sustainable Development Goals, 17 von der UN defninierte Ziele für nachhaltige Entwicklung)
Unser Ziel im Fonds ist es, zu jedem Sustainable Development Goal einen positiven Beitrag zu leisten. Mit den aktuellen Investments schaffen wir es, jeweils mindestens eins zu fördern.
Sehr wichtig sind uns die Themen Leben und Umwelt. Hierzu gehören vor allem die Ziele Nummer 2 kein Hunger, 6 sauberes Wasser und Sanitärversorgung, 7 bezahlbare saubere Energien, 13 Maßnahmen zum Klimaschutz und 14 Leben unter Wasser. Das sieht man auch im Portfolio. Wir waren einer der ersten, die das Thema Elektromobilität aktiv umgesetzt haben. Mit unseren Titeln bilden wir die gesamte Wertschöpfungskette ab, vom Rohstofflieferanten über Zulieferer, die Autoproduktion bis hin zum Recycling der Batterien. Im Bereich der erneuerbaren Energien haben wir schon vor Jahren versucht, die Weiterentwicklung der Solarzellen über das Thema Perovskiten – einem neuen Werkstoff in der Herstellung besonders effizienter Photovoltaikzellen - darzustellen und in Windkraft investiert. Und bei Leben unter Wasser sind wir in Aquafil investiert, ein Unternehmen, das alte Fischernetze recycelt und daraus neue Garne herstellt. Die neuen Garne werden inzwischen von vielen Weltfirmen gekauft und weiterverarbeitet, etwa von Burberry, Adidas oder Nike.
Welche Jahresergebnisse sehen Sie mit Ihrem Ansatz als erreichbar/realistisch an, und welche Volatilität muss ein Investor dafür in Kauf nehmen?
Das Ziel des Fonds ist es, langfristig die Rendite einer passiven oder trendorientierten Anlagepolitik zu schlagen, und wir möchten besser sein als der Markt. Ein konkretes Performance- oder Volatilitätsziel haben wir für den Fonds aber nicht festgelegt.
Allgemein könnte das Börsenjahr 2020 ähnlich gut werden wie das letzte Jahr und davon sollte auch der Acatis Fair Value Aktien Global Fonds profitieren. Der Ausblick auf die Realwirtschaft ist immer noch positiv, wenn auch etwas gedämpfter als in den euphorischen Vorjahren. Ein weiteres Absacken der Konjunktur ist nicht erkennbar. Zudem werden die Notenbanken die Zinsen niedrig halten, Donald Trump möchte als US-Präsident wiedergewählt werden, Großbritannien braucht gute Verträge mit Europa und China sollte nach der Schwächung durch das Coronavirus kompromissbereit sein. Positiv für Nachhaltigkeitsfonds ist zudem, dass immer mehr Investoren nachhaltig investieren. Dementsprechend fließt mehr Geld in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen.
Welche Ausschüttungsquoten streben Sie weiterhin an, in welchem Umfang haben Sie ausschüttungsfähige Reserven bilden können?
Beim Fonds liegt der Schwerpunkt mehr auf Wertzuwachs und weniger auf hohen Ausschüttungsrenditen. Nur die institutionelle Tranche EUR-V hat eine vergleichsweise hohe Ausschüttung.