Deutschland, Land der Dichter, Denker – und langen Arbeitsleben. Während das gesetzliche Renteneintrittsalter in Deutschland bei 67 Jahren liegt, verabschieden sich europäische Nachbarn wesentlich früher: in Frankreich mit 64,5 Jahren; in Italien, Luxemburg, Slowenien und Griechenland sogar bereits mit 62 Jahren. Eine Annäherung scheint nicht in Sicht zu sein, vielmehr das Gegenteil ist der Fall: Eine sukzessive Anhebung des deutschen Renteneintrittsalters auf 70 Jahre wurde unlängst wieder in den politischen Ring geworfen.


Eine Entwicklung, die an den Wünschen der Menschen in Deutschland vorbeizugehen scheint. Wie Zahlen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) belegen, haben Anträge für einen vorzeitigen Ruhestand in den letzten Jahren massiv zugenommen.


Vorzeitiger Ruhestand


Neben der regulären Altersrente, die ab dem Monat nach dem 67. Geburtstag des Ruheständlers beginnt, gibt es die Möglichkeit, die Altersrente vor der gesetzlichen Regelaltersgrenze in Anspruch zu nehmen. Dieser vorzeitige Ruhestand geht mit einer Rentenminderung einher – für jeden vorzeitigen Monat werden 0,3 Prozent Abschläge berechnet, was sich pro Jahr immerhin auf 3,6 Prozent aufsummiert. Nach aktuellem Stand nimmt bereits jeder Vierte finanzielle Einbußen in Kauf, nur um sich bereits früher aus dem Arbeitsleben – in Form des vorzeitigen Ruhestandes – verabschieden zu können. So wurden im letzten Jahr von 858.000 Rentenneuzugängen sage und schreibe 210.616 Altersrenten gekürzt – der höchste Wert seit 2013. Um dies finanziell abzufedern, stellen private Zusatzeinnahmen einen wichtigen Ergänzungsbaustein für die arbeitsfreie Zeit dar.


Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ist ein Hinzuverdienst möglich, allerdings durfte dieser in der Vergangenheit maximal 6.300 Euro pro Kalenderjahr betragen, ohne dass sich dadurch die Rente verringern hätte. Alles, was darüber hinaus ging, wäre auf die Monatsrente angerechnet worden und hätte zur Auszahlung einer verringerten Teilrente geführt – ein wenig motivierender Umstand.


Gesetzänderung in Kraft getreten


Seit dem 1. Januar 2023 ist mit dieser limitierenden Regelung Schluss – die Hinzuverdienstgrenze für vorgezogene Altersrenten wurde ersatzlos gestrichen. „Wir schaffen die Hinzuverdienstgrenze bei vorgezogenen Altersrenten ab. Schon während der letzten beiden Corona-Jahre lag die Hinzuverdienstgrenze deutlich höher als zuvor. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht und ermöglichen nun dauerhaft, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibel zu gestalten“, so Bundesarbeitsminister Hubertus Heil.


Im Klartext heißt dies, dass Frührentnerinnen und -rentner unbegrenzt hinzuverdienen können, ganz gleich aus welcher Einkommensart sich der Verdienst generiert. Bei Kapitaleinkünften (Zinsen, Dividenden und Wertpapiergewinnen) war dies in der Vergangenheit bereits unproblematisch, da die mit 25 Prozent pauschal von den Banken einbehaltene Kapitalertragsteuer (Abgeltungssteuer) das Thema aus steuerrechtlicher Sicht regelte. Ähnlich unkompliziert lief es bei „Einkünften aus Vermietung und Verpachtung“. Ganz anders hingegen sah es bei „Einkünften aus Gewerbebetrieb“ aus.


Einkünfte aus Gewerbebetrieb


Wer sich eine Solaranlage aufs Dach baut, mag in erster Linie an Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Umweltbeitrag denken. Dass man dabei in den meisten Fällen auch unternehmerisch tätig ist, wird leicht übersehen. „In dem Moment, wo man Strom ins Netz einspeist und Geld bekommt, ist man Stromproduzent und damit aktiv gewerblich tätig, mit allen Konsequenzen wie Gewerbeanmeldung und Steuererklärung“, weiß Gerhard Simon, Senior Director Retail Funding bei der HEP Kapitalverwaltung AG, zu berichten. Dank Gesetzänderung müssen vorgezogene Ruheständler sich im Punkt Hinzuverdienst nun keine Gedanken mehr machen.


Wer z. B. bei seiner Investitionsauswahl im Bereich der erneuerbaren Energien bisher auf Wertpapiere ausgewichen ist, um gewerbliche Einkünfte aus „Vorruhestandsgründen“ zu vermeiden, hat nun seit Jahresanfang eine neue Freiheit bei der Investmentauswahl. Die fokussierte Suche nach Investments mit der Einkunftsart „Kapitalvermögen“ und „Vermietung und Verpachtung“ ist – zumindest aus Altersgründen – obsolet.