Europäische Aktien sind beliebt – denn trotz der jüngsten Kurseinbrüche sind die Rahmenbedingungen gut: Die Konjunktur läuft rund und politische Risiken treten in den Hintergrund. Damit gelten die Papiere mittlerweile gemeinhin als teuer. Und dennoch lassen sich noch aussichtsreiche Titel finden, erklären Tawhid Ali und Andrew Birse, beide Portfolio Manager European Equities beim Asset Manager AllianceBernstein (AB): „In den Aktienteichen tummeln sich nach wie vor zahlreiche ‚hässliche Entlein‘ – also Aktien, die auf den ersten Blick unattraktiv wirken, aber durchaus das Potenzial zum ‚stolzen Schwan‘ besitzen.“ Der aktuellen Volatilität zum Trotz wird das Wirtschaftswachstum in der Eurozone den Konsensschätzungen zufolge in diesem Jahr mehr als zwei Prozent betragen. Das Gewinnwachstum der Unternehmen im MSCI Europe Index dürfte sogar zweistellig ausfallen. Dennoch wurden europäische Aktien zum Jahresende 2017 mit einem Abschlag auf Basis des Kurs-Gewinn-Verhältnisses von 15 bis 20 Prozent gegenüber US-Titeln gehandelt, so die Aktienexperten. Ihr Fazit: „Stock-Picker können diese andauernde und verbreitete Fehlpreisung ausnutzen: Mithilfe von sorgfältigem Branchen- und Einzeltitel-Research lassen sich Titel identifizieren, die weit besser aufgestellt sind als gemeinhin angenommen“, raten Ali und Birse. Ihr Research konzentriert sich daher auf missverstandene oder unterschätzte Unternehmen, welche sich in Branchen und Ländern mit unterschätztem Ertragspotenzial finden.
Als Beispiel für ein solches „Entlein“ führen Ali und Birse den finnischen Sportartikelanbieter Armer Sports an. Die Aktien entwickelten sich im vergangenen Jahr unterdurchschnittlich, weil die hohen Lagerbestände in den USA die Kurse drückten. Die Anleger „sahen darin ein Zeichen für nachlassende Popularität der Marken Wilson und Arc´teryx, die in den USA bekannter als in Europa sind. Wir glauben jedoch, dass dies der falsche Ansatz ist: Amer Sports wird in einen Topf mit amerikanischen Sportartikelhändlern geworfen, die angesichts großer Online-Konkurrenz zu viel Ware angehäuft hatten. Unser Research kommt hingegen zu einem anderen Ergebnis“ schreiben die AB-Experten. Denn hohe Lagerbestände deuteten hier nicht etwa auf sinkende Marktanteile für Amer Sports hin, sondern seien vielmehr ein Symptom des sich immer mehr in Richtung Onlinehandel entwickelnden Markts, was zu Verwerfungen beim Inventar geführt habe. Ihr Research lasse gesunde Cashflows beim Unternehmen erkennen. Die Lagerbestände dürften sich auf einem neuen Niveau etablieren, was die Entwicklung hin zum Onlinevertrieb reflektiere.
Als weiteres interessantes Unternehmen, welches immer wieder missverstanden werde, führen die Aktienprofis Airbus an. Denn viele Anleger glaubten noch immer, dass der Konzern unter dem schädlichen Einfluss der Regierungen Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens und Spaniens stehe – dies belaste den Ruf des Flugzeugbauers. „Doch die Eigentumsverhältnisse wurden bereits 2012 bereinigt. Die Aktien des Unternehmens scheinen einem stetigen Abschlag zu unterliegen, meist sind sie 20–30 Prozent günstiger bewertet als der Hauptrivale Boeing. Und das obwohl beide Unternehmen ähnliche Produkte an ähnliche Kunden zu ähnlichen Margen verkaufen“, heißt es im AB-Kommentar. Das negative Bild habe allerdings mehr mit den Produktzyklen zu tun als mit einer fundamentalen Schwäche des Unternehmens. Schließlich stelle Airbus den Superjumbo A380 her, welcher direkt mit dem Dreamliner von Boeing konkurriere. Airbus hinke dem Konkurrenten hierbei hinterher, was bedeute, dass die Kosten für die Produktion des A380 immer noch hoch seien und sich der Preis noch nicht stabilisieren konnte. „Das wiederum hat die Cashflows von Airbus erheblich negativ beeinflusst. Mit fortschreitendem Zyklus jedoch sollte sich dieser Trend umkehren“, so die Einschätzung.
Und schließlich sähen manche Aktien nur „hässlich“ aus, weil sie aus der falschen Region kommen. So hätte etwa die CaixaBank, das dritte identifizierte „Entlein“ von AB, im vergangenen Jahr darunter gelitten, dass sie ihren Sitz in Barcelona habe. Viele Marktteilnehmer befürchteten, die politischen Unsicherheiten um die katalanische Unabhängigkeitsbewegung könnten dem Geldhaus schaden. Ali und Birse halten dagegen: „Mit einem Marktanteil von 18 Prozent ist CaixaBank die Nummer eins unter Spaniens Geschäftsbanken. Im Zuge der fortschreitenden Gesundung der iberischen Wirtschaft nach einer langen Krise verbessert sich bei CaixaBank die Kreditqualität, die Margen steigen und die Finanzierungskosten fallen. Durch die starke Marktstellung profitiert die Bank überdurchschnittlich vom zusätzlichen Vertriebspotenzial von Versicherungen und Investmentfonds an ihre Privatkunden.“
Beispiele für erfolgreiche Europa-Fonds zeigt das Chartbild, so etwa den Aktienfonds von AB European Equity Portfolio (ISIN: LU0232465038), den RAM Systematic Funds – European Equities (ISIN: LU0187395347), den JPM Europe Strategic Growth (ISIN: LU0210531801) und den Melchior Selected Trust: European Opportunities Fund (ISIN: LU0289523259).