FondsDISCOUNT.de: Welche Vorteile bieten Anleihen aus Emerging Markets bei der Gesamtzusammenstellung eines Portfolios, zum Beispiel aufgrund ihrer Korrelationseigenschaften?
Robert Reichle: Emerging Markets Anleihen bieten noch eine deutlich höhere Rendite als beispielsweise klassische europäische Unternehmensanleihen gleichen Ratings. Zudem besitzen Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets im Portfoliokontext attraktive Diversifikations- und somit auch Korrelationseigenschaften. Besonders im Investmentgradebereich sind Unternehmen, die ihren Ursprung in den Emerging Markets haben, im Rahmen ihres Geschäftsmodells deutlich globaler aufgestellt als beispielsweise ihr Pendant aus den entwickelten Ländern. Gerade im Zusammenspiel von EM Unternehmens- und EM Staatsanleihen lässt sich die risikoadjustierte Rendite eines Portfolios somit verbessern.
Sie reklamieren für den Berenberg Sustainable Bond (ISIN: LU1725429309) ein nachweislich verbessertes Risiko-Rendite-Profil durch den Nachhaltigkeitsfilter. Können Sie dies quantifizieren?
Die Performancecharakteristik des Fonds stellt sich in dem aktuellen Marktumfeld wieder sehr positiv heraus. Tendenziell ist es so, dass wir in einem Aufwärtsmarkt, wie zum Beispiel 2019, durch eine relativ defensivere Portfoliostruktur nicht mit unserer Benchmark mithalten können. In einem negativen Marktumfeld jedoch wie wir es aktuell sehen, verlieren wir auch deutlich weniger als die Benchmark und einen Großteil der Mitbewerber. Gleichzeitig können wir die Volatilität im Vergleich zur Benchmark um ca. 30% reduzieren.
Wie sieht die Nachhaltigkeits-Prüfung für Staaten aus, welche Kriterien werden angelegt? Und bleibt überhaupt ein hinreichend großes Anlageuniversum übrig?
Das Investmentteam hat für die Auswahl von Staatsanleihen 15 Grenzwerte und Ausschlusskriterien definiert. So wird in Anleihen autoritär geführter Länder, die internationale Menschenrechts- und Umweltvereinbarungen nicht anerkennen, nicht investiert. Zusätzlich zur Nachhaltigkeitsanalyse müssen auch die Fundamentaldaten der Staaten robust sein, um für das Portfolio ausgewählt zu werden. Aus dem Emerging Markets Staatsanleihenindex (JPM EMBIG Div) fallen allein schon 18 Länder aufgrund unserer Mindestkriterien an Rating, Liquidität und Informationstiefe weg. Von den übrig gebliebenen 54 Staaten können sich jedoch nur im Schnitt 18 Länder für das Portfolio qualifizieren. Um dennoch ein ausreichend diversifiziertes Portfolio aufzustellen, investieren wir mit dem Fonds auch in Unternehmensanleihen aus den Emerging Markets.
Beispiel Brasilien: Wie gehen Sie mit den dort aufkommenden Risiken um, was muss passieren, damit ein Staat von der positiven auf die negative Seite der Liste wandert?
Das geschieht, wenn sich im Rahmen der Schwellenwert-, bzw. Ausschlusskriterien die Zahlen für das Land verschlechtern. Brasilien kann sich aktuell aufgrund von nachhaltigen Gesichtspunkten für das Portfolio qualifizieren. Allerdings erkennen wir seit geraumer Zeit einen Trend sich verschlechternder fundamentaler Makrokennzahlen, was sich bei der jüngsten Portfolioanpassung dahingehend äußerte, dass Brasilien die fundamentalen Mindestkriterien nicht mehr erfüllt und somit marktschonend aus dem Portfolio verkauft wurde.
Auf welche Kriterien achten Sie bei der Auswahl der Unternehmen? Kommen ausschließlich Unternehmen aus positiv gescreenten Staaten in Frage – oder investieren Sie auch in ESG-konforme Unternehmen aus Staaten, deren Anleihen ausgeschlossen sind?
Bei der Auswahl nachhaltiger EM Corporates verfolgt Berenberg einen ganzheitlichen Ansatz. Vor der eigentlichen Emittentenselektion screenen wir das Anlageuniversum unter Anwendung von mehr als 25 Kriterien und Schwellenwerten. Dieses Screening basiert auf den Standard-ESG Ausschlusskriterien Berenbergs sowie den Erfordernissen kirchlicher Investoren. So führen unter anderem Verstöße gegen die UN-Global-Compact-Prinzipien sowie die Herstellung von zivilen Schusswaffen, Landminen und Streubomben zu einem Ausschluss. Schwellenwerte stellen beispielsweise die Treibhausgasbilanz oder der Anteil von Kraftwerkskohle, Kernenergie, Rüstung und Tabakwaren am Gesamtumsatz eines Unternehmens dar. Darauf aufbauend schließt sich eine Fundamentalanalyse der zuvor als nachhaltig befundenen Unternehmen in Form eines sektorspezifischen Schattenratings an. Zusätzlich zu dieser quantitativen Finanzkennzahlenanalyse fließt eine qualitative Einschätzung anhand von Nachhaltigkeitskriterien in das Gesamtrating eines Emittenten ein. Die Gewichtung der qualitativen Einschätzung ist ebenfalls sektorspezifisch und setzt sich aus dem materiellen MSCI ESG-Gesamtrating eines Emittenten sowie ausgewählter Corporate-Governance-Kriterien zusammen. Durchaus sind auch Unternehmen aus „nicht-nachhaltigen“ Staaten zugelassen. Unserer Meinung nach sollte man Unternehmen nicht dafür bestrafen, dass sie in einem „nicht-nachhaltigem“ Land ansässig sind, wenn sie sich an unsere hohen Standards halten und teilweise sogar eine Vorreiterrolle in Ihrem Land einnehmen.
Zur aktuellen Situation: Bei Hochzinsanleihen hat das Coronavirus Kreditspreads auf Niveaus zurückgedrängt, die vielen attraktiv erscheinen. Zudem wurden Bankanleihen im Verhältnis zur zugrundeliegenden Emittentenstabilität nach Ansicht von Marktteilnehmern überverkauft. Wie sehen Sie die Situation – und haben Sie umgeschichtet oder nachgekauft?
Wir befinden uns aktuell in der turnusmäßigen Anpassung unseres Portfolios. Auf der Seite der Schwellenländer haben sich in Rahmen der jüngsten Marktbewegungen Finanzanleihen relativ gut geschlagen. Diese machen im Portfoliokontext ein Anteil von knapp 17 Prozent aus. In der Tat erscheinen Risikoaufschläge im Hochzinsanleihenbereich nun attraktiv, allerdings bleiben wir vorsichtig. Eine weitere Welle der Spreadausweitung ist durchaus noch möglich bevor sich erste Kaufgelegenheiten ergeben.
Wie und nach welchen Erhebungen steuern Sie generell die Rendite / Risiko-Ausrichtung des Fonds? Wie positionieren Sie den Fonds nun mittelfristig für die mutmaßlich außerordentlich bewegten Zeiten?
Zur Steuerung der Risikoausrichtung greifen wir auf einen proprietär entwickelten Risikoaversionsindikator zurück. Aus Kredit-, Aktien- und Währungsvolatilität leiten wir das aktuelle Kapitalmarktsentiment für die Emerging Markets ab. Der Risikoaversionsindikator bestimmt in welchem Grad das Portfolio risikoaffin oder risikoavers ausgerichtet wird. Die Portfolioallokation findet alle zwei Monate in Form einer Portfoliooptimierung statt. Unternehmensanleihen erhalten dabei einen Anteil von mindestens 20 bis maximal 49 Prozent. Aktuell fühlen wir uns mit der Ausrichtung des Portfolios sehr wohl. Ölexportierende Staaten, die sich den Ölpreis von unter 30 Dollar langfristig nicht leisten können, stehen aktuell besonders unter Druck, stellvertretend seien hier Ecuador im High Yield Segment oder auch Kolumbien im Investmentgrade Bereich genannt. Insgesamt sind wir im Vergleich zur Benchmark in ölexportierenden Staaten aktuell tendenziell untergewichtet. Der Anteil an Unternehmensanleihen - derzeit bei knapp 30 Prozent - wirkt sich zudem stabilisierend auf das Portfolio aus.
Vielen Dank für das Interview!