Wenn es darum geht, den richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkt an der Börse zu finden, klammern sich Anleger gerne an einfach nachvollziehbare Regeln. Viele Börsenweisheiten wie etwa „Sell in May and go away“ versprechen Orientierung. Wie zufällig solche Timing-Vorgaben allerding sein können, belegt nun eine Auswertung der Sutor Bank. Die Privatbank hat die Wertentwicklung des amerikanischen Börsenindex S&P 500 in den vergangenen 91 Jahren analysiert – und zwar nach, ja richtig: Mondphasen. Für viele naturverbundene Menschen liefern die verschiedenen Gezeiten des Mondes Anhaltspunkte für den richtigen Zeitpunkt für alle möglichen Verrichtungen und Vorhaben – vom Aussäen von Pflanzen bis hin zu Haare schneiden und Diät. Denn, so formuliert es die Sutor Bank: „Den Mondphasen werden gerne bestimmte Eigenschaften und Kräfte zugeschrieben. Der Neumond etwa sei die beste Zeit für Neuanfänge und perfekt zum Entgiften. Vollmondnächte sollen ideal sein für Besinnung und wichtige Entscheidungen – und gut für die Geburtenrate, aber schlecht für den Schlaf. Bei abnehmendem Mond gelte es, sich stärker zurück zu ziehen und Wissen aus bisherigen Erfahrungen zu schöpfen, auch Abnehmen soll in diesen Tagen leichter fallen. Beim zunehmenden Mond gedeihe Neugepflanztes angeblich besonders gut, alles stehe im Zeichen des Wachstums und Aufbaus. Die Vermutung liegt daher nahe, dass die Phase des zunehmenden Mondes auch auf die Geldanlage positiv wirken könnte.“
Aus diesem Gedanken heraus nahmen sich die Banker den S&P 500 im Zeitraum vom 1.1.1928 bis zum 15.4.2019 vor. Dies sind 91 Jahre oder exakt 33.343 Tage. Rund zwei Drittel davon entfallen auf Börsentage ( konkret: 22.929 Tage). „Es ist wichtig, den Kursindex zu betrachten, um die unmittelbare Abhängigkeit von Kurs und Kalender zu erhalten“, erläutert Lutz Neumann, Leiter der Vermögensverwaltung der Sutor Bank, die Versuchsanordnung. Die Dividendenausschüttungen in einem Performanceindex könnten das Szenario verwässern.
Für die Betrachtung der Mondphasen wurde der Standort New York gewählt, einfach weil der S&P 500 ein wichtiger amerikanischer Index ist und die Wall Street der bedeutsamste Börsenplatz ist. Um die Berechnung zu vereinfachen wurde der Mondphasenwechsel jeweils mit einem Datumswechsel gleichgesetzt, Sommer- und Winterzeit wurden nicht berücksichtigt. Weiter teilt die Bank mit: „Für die Untersuchung wurden die einzelnen Zeiträume der jeweiligen Mondphasen aneinandergereiht und als durchgängiger Anlagezeitraum betrachtet. Die nicht zur jeweiligen Mondphase gehörenden Börsentage wurden ausgeblendet beziehungsweise übersprungen. So ergeben sich vier annähernd gleich lange Anlagezeiträume für die vier Mondphasen, die sich gut vergleichen lassen.“
Geldanlagen bei zunehmendem Mond? Lieber nicht!
Es mag nun überraschen, aber das Ergebnis dieses originellen Versuchs zeigt, dass der Kurs des S&P 500 tatsächlich deutlich auf die Mondpahsen reagiert. Aber, so die Finanzexperten: anders als erwartet.
„Denn es ist nicht der zunehmende Mond, der sich positiv auf den Kursverlauf auswirkt. Im Gegenteil: Mit einer durchschnittlichen Jahresrendite von 0,35 Prozent bildet diese Mondphase das Schlusslicht bei der Kursentwicklung des S&P 500. Aus einem US-Dollar wurden lediglich 1,37 US-Dollar. Die Phase des abnehmenden Mondes steht mit einer durchschnittlichen jährlichen Wertentwicklung von 0,45 Prozent nur unwesentlich besser da. Auch fallen 22 der 30 schlechtesten Tage in diese beiden Mondphasen. An den drei schlechtesten Börsentagen des S&P 500 mit -10,16 Prozent (29.10.1929), -12,94 Prozent (28.10.1929) und -20,47 Prozent (19.10.1987) war der Mond abnehmend. In dieser Phase wurden aus einem US-Dollar 1,50 US-Dollar“, so die Auswertung.
Lohnender sei die Phase des Vollmonds, der mit fast zwei Prozent Kursplus pro Jahr zum Erfolg des S&P 500 beitrage. Auch am besten Börsentag des S&P 500 in den letzten 91 Jahren, am 15.3.1933, sei Vollmond gewesen. Kurz gesagt: „Bei Vollmond investiert, wurden aus einem US-Dollar 5,68 US-Dollar“.
Neumondphasen lohnen sich richtig
Der „Garant für die gute Kursentwicklung des S&P 500“ sei jedoch der Neumond, fassen die Banker zusammen: Fast drei Prozent jährliche Rendite dieser Phase trügen erheblich zur durchschnittlichen Wertsteigerung des S&P 500 von 5,75 Prozent pro Jahr bei. „Damit liefert der Neumond ein besseres Ergebnis als alle drei anderen Mondphasen zusammen. Auch lagen von den 50 schlechtesten Börsentagen der letzten 91 Jahre die wenigsten in einer Neumond-Phase. In dieser Phase wurden aus 1 US-Dollar immerhin 13,75 US-Dollar.“
Übersicht: Einfluss der Mondphasen auf den S&P 500
(Grafik und Quelle: Sutor Bank)
Kurios, aber keine Empfehlung
Trotz dieser Ergebnisse: Als Anlageempfehlung will die Sutor Bank ihre Analyse nicht verstanden wissen. „Wer glaubt, aus diesem Untersuchungsergebnis eine Empfehlung für sein künftiges Anlageverhalten an die Hand zu bekommen, muss leider enttäuscht werden“, betont Lutz Neumann. „Der Neumond ist zwar deutlich erfolgreicher als die anderen Mondphasen, stellt aber keine echte Handelsoption dar. Dafür wechseln die Mondphasen einfach zu häufig. Schließlich muss man aktiv traden, um alle Neumondphasen mitzunehmen – also jeden Monat einmal kaufen und einmal verkaufen. Das sind 24 Trades im Jahr. Die Kosten dafür würden den Renditevorteil in jedem Fall ‚auffressen‘“, erläutert der Finanzexperte.
Statt Timing-Experimenten: Bleiben Sie langfristig dabei!
„Unterm Strich lohnt es sich, durchgehend investiert zu bleiben und unnötige Kosten zu vermeiden“ empfiehlt Neumann. Dann hätte man in den vergangenen 91 Jahren die 5,75 Prozent Kurssteigerung pro Jahr sicher gehabt. Eine frühere Studie der Sutor Bank belegt, dass ein Blick auf den Kursindex für den Anleger jedoch nur die halbe Miete ist. Denn es sind die Dividenden, die erst recht für Erträge im Depot sorgen. Mit Blick auf den Performanceindex des S&P 500, der die Dividenden mit einrechnet, ergibt sich demnach eine stattliche Rendite von 10,0 Prozent pro Jahr – und das seit über 90 Jahren. „Eines ist sicher: Bei so einem erfolgreichen Investment schläft man bei jeder Mondphase gut“, ist Neumann überzeugt
Fazit: Die Jagd nach dem optimalen Ein- und Ausstiegszeitpunkt ist für Anleger immer spannend.Doch es ist nahezu unmöglich, diesen auch zu treffen. So unterhaltsam und eingängig solche Korrelationen wie hier die Mondphasen auch anmuten: Börse ist immer langfristig. Wer sich etwa mit einem Aktienfonds-Sparplan an den Märkten engagiert, kann auf lange Sicht ein kleines Vermögen aufbauen – nur etwas Geduld sollte man mitbringen. Mehr zu diesem Thema lesen sie zum Beispiel in unseren folgenden Artikeln:
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