Nachhaltige Geldanlagen befinden sich weiterhin voll im Trend: Mit einem Gesamtvolumen von 501,4 Milliarden Euro erreichten sie einen neuen Rekordwert. Mit Anlagen in Höhe von 131,2 Milliarden Euro halten Privatanleger rund 36 Prozent der nachhaltigen Geldanlagen in Deutschland, 64 Prozent entfallen auf institutionelle Anleger. Der Marktanteil nachhaltiger Geldanlagen am Gesamtmarkt sprang von 6,4 auf 9,4 Prozent. Berücksichtigt man zusätzlich die Kapitalanlagen, für die Nachhaltigkeitskriterien auf Unternehmensebene verankert sind, ergibt sich zum 31.12.2021 eine Gesamtsumme von rund 2,2 Billionen Euro für verantwortliche Investments in Deutschland.
Die Frage der Definition und des rechtlichen Rahmens
Nachhaltige Geldanlagen sind also weiter auf Erfolgskurs. Neben dem Investieren mit gutem Gewissen oder der kühlen Kalkulation, dass nachhaltige Anlagen besser performen werden, ist ein wesentlicher Treiber dieser Dynamik die europäische Regulatorik. Der Blick auf die Regulatorik-Kulisse zeigt, welche Folgen das EU-Legislativpaket „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ nach sich zieht. Im Anwendungsbereich reicht es von der EU-Taxonomie und Offenlegungsverordnung (OffVO) über die CSRD-Berichterstattung und den EZB-Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken bis hin zu zahlreichen Standards und Transparenzpflichten. Nach den Umsetzungen durch die Offenlegungsverordnung mit Fonds nach Artikel 8 oder Artikel 9 rückt aktuell die Regulatorik nach MiFID II in den Mittelpunkt.
MiFID (Markets in Financial Instruments Directive) folgt einer anderen Klassifizierungslogik für Nachhaltigkeit als die OffVO, denn sie fokussiert sich auf die Angebotsseite. Das heißt, sie verpflichtet Anlageberater dazu, die Kunden nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen und ihnen entsprechende Nachhaltigkeitsprodukte anzubieten. Konkret wirkt sich das so aus, dass die Zuordnung und Deklarierung von Produkten nach Artikel 8 oder 9 nicht mehr ausreicht, sondern der Kunde seinen Nachhaltigkeitsanspruch formuliert und dann in Instrumente, die diesen Ansprüchen genügt, investiert wird.
Ob es nun an mehr Transparenz durch die Offenlegung oder geänderter Beratung liegt, kann dahingestellt bleiben. Fakt ist: Nach einem bereits in den Vorjahren spürbar gestiegenen Interesse haben private Anleger 2021 massiv in nachhaltige Geldanlagen investiert. Das von dieser Gruppe gehaltene Anlagevolumen stieg um 230 Prozent von 39,8 Milliarden Euro auf den neuen Rekordwert von 131,2 Milliarden Euro. Im Gegenzug sank der Anteil der institutionellen Investoren am in Deutschland unter Anwendung von ESG-Kriterien verwalteten Kapital auf 64 Prozent, trotz eines Zuwachses von 48,5 Milliarden Euro auf insgesamt 232,8 Milliarden Euro.
„Während institutionelle Investoren schon lange in dem Bereich aktiv sind und damit eine Vorreiterrolle eingenommen haben, wurden private Anleger, die 2021 ihr Anlagevolumen mehr als verdreifacht haben, lange Zeit unterschätzt“ erklärt Simon Dittrich, Studienleiter des FNG-Marktberichts. „Die wichtigste Triebfeder dabei war und ist in jedem Fall die Regulierung. Diese führte bereits dazu, dass nachhaltige Publikumsfonds viel breiter angeboten werden als früher.“ Über aktuelle Zahlen mit Stand Ende April 2022 haben wir hier berichtet.
Rund 246,0 Milliarden Euro wurden in nachhaltige Publikumsfonds investiert – 130 Prozent mehr als im Vorjahr. Zur Erhebung dieser Zahlen hat das FNG erstmals auf Basis der Vorgaben der Offenlegungsverordnung Artikel-8- und Artikel-9-Fonds analysiert. 93 Prozent der im Rahmen der Studie berücksichtigten Fonds waren dabei als Artikel-8-Fonds deklariert, nur 7 Prozent als Artikel-9-Fonds. Da mit der Definition der Offenlegungsverordnung einige Fonds als Artikel-8-Fonds eingestuft wurden, die zuvor nicht als nachhaltig galten, ist ein Teil des Wachstums auf eine veränderte Definition dessen, was als Nachhaltigkeitsfonds anzusehen ist, zurückzuführen. Die Studie weist bei den Publikumsfonds 58 Prozent des Wachstums als „auf Nachhaltigkeit umgestellte Fonds“ aus. Letzteres betreffe „insbesondere nachhaltige Immobilienfonds mit einem Volumen von 72,2 Milliarden Euro“. Weitere 40 Prozent des Wachstums bei den Publikumsfonds resultierten aus Mittelzuflüssen. Insgesamt relativiert dies jedoch die Wachstumszahlen, weil ein Teil eben nur per Definition generiert wurde.
Aktive ESG-Integration statt passiven Ausschlusskriterien
Dafür stellt die FNG-Studie aber fest, dass die Anforderungen an die Fonds sich gewandelt haben, und zwar positiv hin zu einer aktiven Betrachtung der ESG-Implementierung. Nachdem viele Jahre die Nutzung von Ausschlusskriterien die am weitesten verbreitete nachhaltige Anlagestrategie war, wurde dieser Spitzenplatz im Berichtsjahr nämlich von der ESG-Integration übernommen. Rund 336,6 Milliarden Euro wurden zum Stichtag 31.12.2021 unter Nutzung dieser Anlagestrategie verwaltet, bei der ESG-Kriterien und -Risiken in die traditionelle Finanzanalyse integriert werden. Dieser Ansatz fand bei 82 Prozent der im Rahmen des Marktberichts erfassten Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds Anwendung. Gleichzeitig wurden Ausschlusskriterien weiter beachtet. Besonders häufig werden dabei Unternehmen von der Kapitalanlage ausgeschlossen, die gegen Menschenrechte und Arbeitsstandards verstoßen oder in Korruption und Bestechung involviert sind. Zu den Top 5 der am häufigsten aktivierten Ausschlusskriterien gehören zudem der Ausschluss von Unternehmen, die Kohle fördern bzw. verstromen oder aktiv an Umweltzerstörungen beteiligt sind, also der DNSH-Taxonomie widersprechen (Do No Substantial Harm), einer von den Vereinten Nationen herausgegebenen Guideline.
Aktien sind die am meisten verbreitete Anlageklasse, Immobilien holen stark auf
Mehr als jeder dritte in nachhaltige Publikumsfonds, Mandate und Spezialfonds angelegte Euro (36 Prozent) war per 31.12.2021 in Aktien investiert, 25 Prozent in Unternehmensanleihen. Damit flossen insgesamt 61 Prozent aller nachhaltigen Geldanlagen in von Unternehmen emittierte Wertpapiere. Deutlich an Bedeutung gewonnen haben Immobilienfonds, auf die 21 Prozent der nachhaltigen Geldanlagen entfallen. Die Immobilienfonds wurden im Rahmen des aktuellen Marktberichts auf Basis ihrer Klassifizierung als Artikel-8- oder Artikel-9-Fonds erstmals zu den nachhaltigen Geldanlagen gezählt. Dabei wurden insgesamt 26 Immobilienfonds mit einem Gesamtvolumen von 72,2 Milliarden Euro berücksichtigt. elf Prozent der nachhaltigen Kapitalanlagen entfielen auf öffentliche Anleihen, sieben Prozent auf Geldmarkt- und Bankeinlagen sowie Hedgefonds.
FNG erwartet weiter starkes Wachstum des Segments
Für das laufende Jahr erwarten beinahe alle im Rahmen des Marktberichts befragten Experten ein weiteres Wachstum des nachhaltigen Kapitalmarktes, berichtet das Forum. Schlüsselfaktoren für die weitere Entwicklung des nachhaltigen Kapitalmarktes seien nach Einschätzung der Befragten Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Nachfrage der institutionellen Investoren sowie verstärkte Marketingaktivitäten der Anbieter und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Reputation. Insbesondere die zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen zählende Integration der ESG-Präferenzabfrage in die Beratungsgespräche, die dieses Jahr verpflichtend wird, wird auch die Nachfrage der privaten Anleger weiter unterstützen.
Fazit
Die Zahlen zu Fonds, investierten Summen und Anteilen an diesem oder jenem Investitionskosmos mögen variieren, weil unterschiedliche Level von Nachhaltigkeit betrachtet und einbezogen werden. Deutlich wird aber in jeder Erhebung, dass der Anteil nachhaltiger Geldanlagen spürbar wächst und kein Nischenthema mehr darstellt.