Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) gibt jährlich den "Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen" heraus und bewertet Nachhaltigkeitsfonds mittels eines hauseigenen Siegels. Der Fachverband hat uns einige Fragen rund um die anstehenden gesetzlichen Vorgaben beantwortet.


FondsDISCOUNT.de: Nachhaltigkeit ist eines der großen Themen in der Fondsbranche. Wenn Sie in Ihre Statistiken blicken: Wie hat sich die Anzahl nachhaltiger Fonds in den vergangenen Jahren entwickelt?


FNG: Der Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen – Deutschland, Österreich und die Schweiz bietet einen guten Einblick in die Marktentwicklungen und Trends. Da wir bereits seit 2005 die Marktzahlen erheben, können wir sagen: Der Markt für Nachhaltige Geldanalgen und verantwortliche Investments wächst stetig und erzielte vor allem in den letzten zehn Jahren ein enormes Wachstum. Das ist zum einen darauf zurückzuführen, dass sich viele nachhaltige Fonds gut entwickelt haben – entgegen der Annahme, dass Nachhaltigkeit zulasten von Rendite geht – und zum anderen, weil immer mehr nachhaltige Fonds aufgelegt werden oder aber konventionelle Anbieter ihre bestehenden Produkte auf Nachhaltigkeit umgestellt haben. Der Marktbericht 2020 zeigt die Entwicklung des nachhaltigen Fondsmarktes in Volumen: Nachhaltige Geldanlagen erreichen mit einem Anlagevolumen nachhaltiger Fonds und Mandate in Höhe von 183,5 Milliarden Euro in Deutschland Höchststände und machen inzwischen 5,4 Prozent des Gesamtfondsmarktes aus. Die Anzahl der Berichtsteilnehmer summiert sich auf 68 – das sind 19 Teilnehmer mehr als im letzten Jahr. Entsprechend ist auch die Anzahl der zugrundeliegenden Fonds gewachsen.


Beflügelt wurde dieser Trend maßgeblich von den europäischen Bestrebungen, Finanzmittel in nachhaltige Bahnen zu lenken. Der EU-Aktionsplan und die nun erneuerte Sustainable Finance Strategie packen die Hindernisse beim Schopf: Durch die ab März eintretenden Offenlegungspflichten für Anbieter und Berater von Fondsprodukten kommen viele Asset Manager nicht mehr darum herum, sich mit den Nachhaltigkeitsaspekten ihrer Investments zu beschäftigen. Weitere Vorhaben wie die verpflichtende Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen (Überarbeitung von MiFID II) setzen zudem weitere Anreize, entsprechende Produkte anbieten zu können, die zweifelsohne immer mehr gefragt werden.


Was für Anleger bislang allerdings schwierig ist, ist die Einschätzung, wie nachhaltig ein Fonds tatsächlich ist – es fehlen schlicht Mindeststandards und einheitliche Definitionen. Die EU ist diesbezüglich inzwischen aktiv geworden. Ab dem 10. März 2021 sollen Fondsgesellschaften offenlegen, wie nachhaltig ihr Produkt ist. Welche Angaben müssen in die Fondsprospekte künftig mit aufgenommen werden?


Um die Debatte der Offenlegungsverordnung ist es gerade jetzt besonders spannend, da die Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) erst kürzlich den finalen Abschlussbericht und die technischen Regulierungsstandards für die Berücksichtigung von ESG-Risiken und -Faktoren veröffentlicht hat (mehr dazu auch auf unserer Website). Dieser Draft-RTS enthält alle Spezifizierungen der Inhalte, Methoden und Darstellung. Alle Level-II-Bestimmungen sollen ab dem 1. Januar 2022 – entgegen der Vorgabe des 30. Juni 2021 – angewandt werden, wie die ESAs vorschlagen. Die Level-I-Verordnung kommt bekanntlich schon ab dem 10. März 2021 in Anwendung. Aus der Verordnung geht bereits hervor, dass nun sowohl auf Unternehmens- als auch Produktebene Offenlegungsplichten bestehen. Im Grunde lässt sich wie folgt zusammenfassen: Finanzmarktakteure mit Portfolioverwaltung oder Anlageberatung müssen, sofern Sie mehr als 500 Mitarbeiter haben, Angaben über die nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeit (PAIs) sowie über die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in der Beratung oder im Portfoliomanagement tätigen. Sollte das besagte Unternehmen weniger als 500 Mitarbeiter haben, so gilt der Grundsatz von „Comply or Explain“.


Sofern ein Finanzmarktakteur ein Produkt anbietet, das mit Nachhaltigkeitsaspekten wirbt, ist auch dies im Fondsprospekt anzugeben. Hier unterscheidet die Kommission zwischen Artikel-8-Produkten, die lediglich ESG-Faktoren bewerben und Artikel-9-Produkten, die über die Werbung von ESG-Faktoren auch mit Nachhaltigkeitszielsetzungen werben. Beispiel: Ein Infrastrukturfonds gibt vor, nicht nur ESG-Aspekte im Anlageprozess zu berücksichtigen, sondern auch explizit in kohlenstoffarme Infrastruktur zu investieren und somit 150.000 Tonnen CO2 pro Jahr einzusparen. In diesem Fall handelt es sich um ein Artikel-9-Produkt, wobei über eine Zielerreichung zu berichten ist.


Die Level-I-Verordnung regelt bereits, was in den vorvertraglichen Dokumenten auszuweisen ist:


Ab 10. März 2021, Comply-or-Explain: Wie Nachhaltigkeitsrisiken in Investmententscheidungen, Anlage- und Vergütungspolitik einfließen und die dadurch zu erwartenden Auswirkungen auf die Rendite des Produkts (Artikel 6). Diese Offenlegung erfordert keine weitere Konkretisierung durch eine Level-II-Verordnung und tritt unmittelbar in Kraft.


Ab 10. März 2021: Sofern mit ESG-Merkmalen geworben oder eine ESG-Zielsetzung festgelegt wird: Angabe zu Anlagestrategien und angestrebten Investitionszielen, Verwendung von Indizes, Referenzwerten oder einer Methode, die entsprechende Zielsetzung messbar macht. Viele Nachhaltigkeitsfonds haben bereits Informationen zur Anlagestrategie und Zielsetzung in den Fondsdokumenten vorgeschrieben. Diese müssen nun ggf. zum März 2021 um die entsprechenden weiterführenden Angaben ergänzt werden. Sollte ein Fonds mit ESG-Aspekten und Zielen werben und bisher keine entsprechende Erklärung in den Fondsdokumenten ausweisen können, so sind diese nachzutragen.


Vsl. 1. Januar 2021: Die Level-II-Verordnung konkretisiert hier die Angabepflichten. Verbindlich zu nutzende Templates (Artikel 8 und Artikel 9) sollen die Informationen harmonisieren. Diese ersetzen die zuvor in den Produktdokumenten ausgewiesenen Informationen zur ESG-Strategie.


Anwendbar sind diese, sobald die Regulatory Technical Standards verabschiedet werden. Es ist davon auszugehen, dass dies im Laufe des zweiten Quartals geschieht.


Ab 30. Dezember 2022: Wie PAIs auf Produktebene einfließen und (Artikel 7) auf Comply-or-Explain-Basis


Zum anderen sollen die Begriffe Nachhaltigkeitspräferenzen“, „Nachhaltigkeitsfaktoren“ und „Nachhaltigkeitsrisiken“ einheitlich definiert werden. Wer ist hierfür zuständig?


Für die Offenlegungsverordnung relevante Begriffsbestimmungen sind bereits in Artikel 2 der Level-I-Verordnung durch die EU-Kommission definiert:


-        "Nachhaltigkeitsfaktoren": Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.


-        "Nachhaltigkeitsrisiko": ein Ereignis oder eine Bedingung in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung, dessen beziehungsweise deren Eintreten tatsächlich oder potenziell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte;


-        Eine Definition der Nachhaltigkeitspräferenz soll in Artikel 2 der Delegierten Verordnung zu MiFID II festgelegt werden.


Wie bewerten Sie diesen Vorstoß aus Sicht der Verbraucher, sprich: der Anleger, die guten Gewissens investieren möchten?


Grundsätzlich begrüßen wir die Offenlegungsverordnung sehr, da sie maßgeblich dazu beiträgt, dass Greenwashing eingedämmt wird. So müssen Produkte, die Nachhaltigkeit versprechen, auch entsprechende Maßnahmen ergreifen und diese in den vorvertraglichen Dokumenten ausführen. Somit ist es nicht mehr möglich, einen Fonds als besonders nachhaltig zu vermarkten, wenn lediglich einige wenige Ausschlusskriterien zurate gezogen werden. Ist ein Nachhaltigkeitsversprechen nicht haltbar, kann nun nicht mehr damit geworben werden.


Für die Fondsgesellschaften bzw. auch die Fondsmanager wird Nachhaltigkeit damit zum Wettbewerbsfaktor. Erwarten Sie Konsequenzen für das Fondsangebot insgesamt?


Die Offenlegungsverordnung ist nur eine Maßnahme von vielen: Die Überarbeitung von MiFID II sieht vor, dass Anleger explizit nach Ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden müssen. Aller Voraussicht nach wird diese Regulierungsänderungen zu einem starken Anstieg der Nachfrage nach nachhaltigen Produkten führen. Studien belegen bereits, dass das Interesse der Privatanleger steigt. So zeigte auch der Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2020, dass der Anteil der Privatanleger überproportional gestiegen ist. Sollte ein Fondsanbieter keine ESG-Kriterien in seiner Anlagestrategie benutzen, können entsprechende Fonds nicht mehr für nachhaltigkeitsinteressierte Anbieter angeboten werden. So werden viele Anbieter nicht darum herumkommen, sich mit der Frage zu beschäftigen, langfristig konventionelle Produkte graduell nachhaltig auszugestalten. Nichtsdestotrotz ist die Offenlegung und Deklaration von Nachhaltigkeitsprodukten für konventionelle Anbieter vor allem auf kurzer Sicht eine strategische Frage, da die Datenbeschaffung und das Reporting ressourcenaufwendig sind. Nachhaltige Asset Manager können bereits auf eigene Nachhaltigkeitsstrategien und Reporting-Strukturen zurückgreifen.


Mit dem von Ihnen vergebenen FNG-Siegel können sich Anleger schon länger auf geprüfte Qualität in Sachen Nachhaltigkeit verlassen. Werden die neuen Pflichten auch Ihre Arbeit bzw. die Kriterien für Ihr Siegel beeinflussen?


Das FNG-Siegel geht über eine reine Offenlegung von ESG-Daten hinaus. Die ganzheitliche Methodik des FNG-Siegels basiert auf einem Mindeststandard. Dazu zählen Transparenzkriterien und die Berücksichtigung von Arbeits- und Menschenrechten, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung wie sie im weltweit anerkannten UN Global Compact zusammengefasst sind. Auch müssen alle Unternehmen des jeweiligen Fonds explizit auf Nachhaltigkeits-Kriterien hin analysiert werden. Investitionen in Atomkraft, Kohlebergbau, bedeutsame Kohleverstromung, Fracking, Ölsande sowie Waffen und Rüstung sind tabu. Hochwertige Nachhaltigkeitsfonds, die sich in den Bereichen „institutionelle Glaubwürdigkeit“, „Produktstandards“ und „Impact“ (Titelauswahl, Engagement und KPIs) besonders hervorheben, erhalten bis zu drei Sterne. Durch die Zertifizierung entsteht eine Gewährleistung für den Anleger – dies kann durch die Offenlegung allein nicht erreicht werden.




Herzlichen Dank für die Beantwortung unserer Fragen!


Video-Tipp: Wie die Offenlegungspflicht in der Praxis umgesetzt wird, erklärt Stefan Riße von ACATIS im Interview mit unserer Partner-Redaktion wallstreet:online: