Viele der großen Aktienfonds orientieren sich an Börsenindizes oder wählen ihre Werte nach bestimmten Investmentstilen wie etwa Value oder Growth aus oder konzentrieren sich auf dividendenstarke Unternehmen. Schaut man in die einzelnen Portfolios, stößt man aber häufig auf die immergleichen Titel. Eine Auswertung der rund 20.000 Fondstranchen, die bei FondsDISCOUNT.de ohne Ausgabeaufschlag erhältlich sind, zeigt zum Beispiel 2.388 Fonds an, die den Suchmaschinen-Giganten Alphabet enthalten. 1.580 Fonds investieren in Amazon-Aktien. SAP-Anteile finden sich in 1.214 Fonds (FondsDISCOUNT.de, 21.10.2019).
Bei all diesem Gleichklang kann es daher sinnvoll sein, sein Depot mit ausgewählten Nischenfonds zu ergänzen. Themenfonds für spezielle Branchen wie etwa Healthcare, Biotech oder zum Beispiel den Megatrend Robotik und Künstliche Intelligenz können (renditestarke) Akzente setzen und bieten den Vorteil, aussichtsreiche Sektoren investierbar zu machen. Doch es geht noch etwas „exotischer“: In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fonds lanciert, die auch bestimmte Randthemen bearbeiten und ihre Zielunternehmen nach ganz bestimmten Aspekten auswählen.
Beispiele für Nischenfonds
Ein Beispiel für einen solchen Nischenfonds wäre etwa der im Jahr 2015 aufgelegte Aktienfonds Sycomore Happy@Work (ISIN: LU1301026388). Die Idee: Unternehmen, die ihre Mitarbeiter besonders wertschätzen, verfügen über eine motivierte Belegschaft, die wiederum zum Geschäftserfolg beiträgt. Die Titelauswahl erfolgt nach Angaben der Gesellschaft über eine Fundamentalanalyse in Kombination mit einer ESG-Analyse, wobei der Aspekt „Soziales“ stärker als die Dimensionen Umwelt (Environment) und Unternehmensführung (Government) gewichtet wird. Auch Einschätzungen von Personalchefs und Mitarbeitern fließen in die Titelselektion ein. Das Portfolio setzt sich aus Large Caps wie etwa Danone, Heineken und dem Elektrotechnik- und Energiemanagement-Konzern Schneider Electric sowie kleineren Werten wie dem Fitnessgeräte-Hersteller Technogym oder dem IT-Dienstleister Devoteam zusammen. Insgesamt finden sich 72 Titel in dem rund 319 Millionen Euro schweren Fonds.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt der im März 2019 aufgelegte Proud@Work (ISIN: DE000A2JF9B6). Hier liegt der Fokus auf Unternehmen mit einer besonderen Firmenkultur: Die Mitarbeiter sollen „stolz“ auf ihre Arbeit sein und die Firmenziele somit mit vollem Engagement vorantreiben. In die Analyse fließen Mitarbeiterbefragungen und in einem weiteren Prozess Firmen- und Finanzdaten ein. Neben Aktien finden sich auch Unternehmensanleihen im Portfolio, welches aktuell etwa Puma, Apple, den französischen Pharmakonzern Sonofi-Aventis und die australische Flight-Center-Travel-Group enthält. Laut Factsheet spiegelt das Fondsportfolio die Indexstruktur des S&P 500 am stärksten wider (28,95 Prozent), mit dem STXE 600 (Price, Euro) gibt es Übereinstimmungen zu 14,86 Prozent, der Dax wird etwa zu 6,78 Prozent repräsentiert. Seit Auflage hat der noch relativ unbekannte Fonds ein Volumen von rund neun Millionen Euro erreicht.
Ebenfalls auf die Arbeitswelt fokussiert der 2015 aufgelegte Ampega Gender Plus Aktienfonds (ISIN: DE000A12BRD6). Zentral für die Titelauswahl ist hier Frauenanteil in den Unternehmen. „Für einen Aktienfonds, der auf Dividende und Kursentwicklung setzt – und das auch langfristig – war und ist der Gender-Diversity-Ansatz ein relevantes und bisher kaum beachtetes Kriterium – ein Qualitätsfilter“ erläutert Fondsmanager Stefan Riefe in einem Interview mit FondsDISCOUNT.de seinen Ansatz. „Wobei das Kriterium darauf abzielt, beim Führungspersonal ein möglichst ausgeglichenes Verhältnis weiblicher und männlicher Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder zu haben. Für die konkrete Titelauswahl ist vor allem die Dividendenstärke der Aktien ein Auswahlkriterium. Wir verfolgen mit dem Fonds gleich zwei Strategien: Nachhaltigkeit auf der Gender-Ebene und Kontinuität bei den Dividendenzahlungen. So erhalten die Anleger ein Wachstumsprodukt mit gleichzeitig sehr guter Dividendenrendite.“ Auch für den Unternehmenserfolg könnten gemischtgeschlechtliche Teams einen Mehrwert leisten. Somit sei das Konzept keinesfalls Ausdruck einer Modeerscheinung, sondern das Thema Geschlechtergerechtigkeit sei vielmehr ein langfristiger Prozess. Das Volumen des Fonds beträgt derzeit rund 41,2 Millionen Euro, zu den größten Positionen im Portfolio zählen die Münchener Rückversicherung, die Deutsche Börse AG, Allianz, Adidas und zum Beispiel Merck.
Auf eine Gesundheitssparte, in der die Forschungen auf Hochtouren laufen, fokussiert hingegen der Ende 2018 gestartete Candriam Equities L Oncology Impact (ISIN: LU1864481467). Das Thema Krebsbehandlung scheinen auch viele Anleger als chancenreich einzuordnen: Der Fondsneuling konnte starke Mittelzuflüsse verbuchen und verwaltet aktuell ein Vermögen von rund 234 Millionen US-Dollar. Im Portfolio finden sich hauptsächlich Unternehmen, die sich mit der Diagnose, der Bestimmung und der Therapie von Krebserkrankungen beschäftigen. Das Management sieht für das Marktumfeld großes Potenzial, nicht zuletzt auch weil die chinesische Regierung einen Plan zum Kampf gegen den Krebs vorgelegt habe. Weltweit sei der Bedarf an (besseren) Therapien enorm.
Und auch das Thema Tiergesundheit wurde bereits in ein Fondskonzept integriert: Was zunächst nach heimeligem Sparteninteresse klingt, ist tatsächlich ein Milliardenmarkt. Allein der Bereich Tierarzneimittel kommt in Deutschland nach Angaben des Bundesverbands für Tiergesundheit (BfT) aktuell auf ein Volumen von rund 813 Millionen Euro. Überhaupt schreiben Experten der gesamten Haustierbranche großes Potenzial zu: Denn wo Menschen immer älter, die Beziehungen immer brüchiger und der Wohlstand immer größer werden, übernehmen Bello & Co. auch wichtige soziale Aufgaben. Tiere werden regelrecht zu Familienmitgliedern oder auch zum Kinder- oder Partnerersatz und genießen somit die volle Aufmerksamkeit ihrer Halter. Bei Allianz Global Investors ist man von der Tragfähigkeit dieser Entwicklungen überzeugt, Anfang 2019 wurde der Aktienfonds Allianz Pet and Animal Wellbeing (ISIN: LU1931535857) lanciert. „Die Unternehmen, in die der Fonds investiert, sind insbesondere in zwei Bereichen tätig: Güter und Dienstleistungen rund um Tiere sowie Tiergesundheit“, beschreibt Fondsmanager Andreas Fruschki den Ansatz im Gespräch mit FondsDISCOUNT.de. „Es findet sich also eine breite Mischung statt, von Tierfutter über den entsprechenden Vertrieb bis hin zu Medikamenten und Anwendungen in der Veterinärmedizin. Viele Unternehmen nutzen auf sehr innovative Weise die Marktchancen. In der Regel sind die Unternehmen auch führend in ihrem jeweiligen Bereich.“ Bislang konnte der Fonds rund 87,8 Millionen Euro einsammeln.
Was können Nischenfonds leisten?
Anhand dieser beispielhaften Auswahl von etwas exotischeren Fondskonzepten zeigen sich die Vorzüge, die sie Anlegern bieten können. Nischenfonds bewegen sich in speziellen Marktumfeldern und/oder haben alternative Zutritte zu bestimmten Branchen. Somit können die Portfolios bewährte Fondskonzepte mit ähnlichen Titelzusammensetzungen gut ergänzen. Hierdurch erhöht sich die Diversifikation im eigenen Depot, zugleich können weitere Marktchancen genutzt werden, die in großen Fonds eher nicht zum Tragen kommen. Für Anleger, die also fernab der Trampelpfade nach frischen Ideen oder zukunftsweisenden Entwicklungen suchen, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Exotenfonds allemal.
Ein weitere Aspekt ist die „Greifbarkeit“ der gewählten Themen. Gerade Anleger, die sich in abstrakte Auswahlprozesse oder Modelle nicht gerne hineindenken, sondern Investmenthemen bevorzugen, über die man hin und wieder auch in der Tagespresse lesen kann, werden in diesem Umfeld fündig. Diese Herangehensweise und die „Nähe zu den Themen“ kann auch dazu beitragen, dass man sich mit seinem Fonds stärker beschäftigt und identifiziert.
Noch sind viele der Nischenfonds recht neu am Markt, die Volumina sind in der Regel noch überschaubar. Da die jeweiligen Marktumfelder aber je nach Thema ebenfalls vergleichsweise geringe Kapitalisierungen aufweisen, könnte so mancher Themenfonds mit steigenden Mittelzuflüssen an seine Grenzen kommen. Um zu hohe Liquiditätsquoten zu vermeiden, können Fondsgesellschaften bei zu stark ansteigendem Volumen ein Soft-Closing verhängen. Je nach Ausgestaltung wird die Anteilsausgabe hierbei reglementiert oder vorübergehend ausgesetzt. So kann die Wertentwicklung vor zu hohen Kassebeständen oder einer Verwässerung der ursprünglichen Anlagestrategie geschützt werden. Mit anderen Worten: Was als Nische gedacht war, bleibt oft auch im Nischenbereich verhaftet.
Damit werden auch eventuelle Nachteile von Nischenfonds deutlich: Je stärker das Investmentthema fokussiert ist, desto größer die Abhängigkeit, dass sich der jeweilige Bereich tatsächlich gut entwickelt. Gesetzesänderungen, Marktverwerfungen oder ein verändertes Verbraucherverhalten können das Investitionsumfeld empfindlich stören. Während breiter aufgestellte Fonds Ausfälle besser verkraften können, geraten kleine Nischenfonds eher ins Straucheln. Es ist daher ratsam, solchen Positionen im Depot etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und die Performance im Blick zu halten.
Zum anderen erfolgt die Auflage eines Nischenfonds oft erst zu einem Zeitpunkt, nachdem das jeweilige Thema seinen Zenit bereits überschritten hat. Wer schnell auf neue, innovative Entwicklungen und Unternehmen setzen möchte und die notwendige Erfahrung und auch die Bereitschaft für ständiges Research mitbringt, ist hier eventuell mit Aktien-Einzelinvestments besser beraten als mit einem etwas „schwerfälligeren“ Investmentfonds. Für die Fonds spricht aber immer, dass sich hier ein Vollzeit-Fondsmanager um die Titelauswahl kümmert und auf Marktentwicklungen reagiert.
Fazit: Am Ende zeigt bei Nischenfonds – wie bei allen Investments – nur die Zeit, wie erfolgreich eine Idee oder ein Trend schlussendlich ist. Aufgrund der oft engen Themensetzungen sind kleinere Spezialfonds anfälliger für Schwankungen, daher sollten sie immer nur als Beimischung zu einem bereits diversifizierten Portfolio eingesetzt werden. Dann können die Exoten richtig Spaß machen und auch interessante Renditebeiträge liefern.
Chartbild, Beispiele: Der Ampega GenderPlus-Fonds entwickelte sich in den vergangenen drei Jahren besser als der Durchschnitt aller Aktienfonds „All-cap“. Der Happy@Work-Fonds blieb dagegen etwas hinter dem Durchschnitt zurück. Die Wertentwicklungen der übrigen genannten Fonds lassen aufgrund der fehlenden Historie noch keine Rückschlüsse zu. Performance- und Risikocharts sowie Vergleiche mit anderen Fonds können Sie sich über die Fondsportraits anzeigen lassen.