„Die Anpassungen der Geldpolitik werden im Zeitlupentempo erfolgen. Nach unserer Einschätzung dürfte uns das niedrige Zinsniveau – und damit auch die finanzielle Repression – noch länger erhalten bleiben“, heißt es im aktuellen Kapitalmarktausblick des Investment Managers Allianz Global Investors. Hintergrund: Das starke Wachstum der Unternehmensgewinne und die nachlassenden Deflationsängste zeigten Wirkung – die Zentralbanken dürften also sorgsam darauf achten, die erreichte Entwicklung nicht abzuwürgen. „Investoren sollten daher die finanzielle Repression weiter im Hinterkopf behalten und die Inflation nicht aus den Augen verlieren, nicht zuletzt, da die offiziellen Inflationszahlen die tatsächliche Kostenentwicklung nur unzureichend widerzuspiegeln scheinen“ schlussfolgern die Finanzexperten.


Allianz Global Investors definiert sechs Hauptthemen für 2018


Die Dynamik der Notenbankmaßnahmen erschwert die Positionierung

„Die US-Notenbank Fed wird voraussichtlich weitere Zinserhöhungen vornehmen; wir rechnen für das Jahr 2018 mit drei Zinsschritten, die noch nicht alle von den Märkten eingepreist sind. Im Fokus der Europäischen Zentralbank steht die Verringerung ihrer monatlichen Anleihekäufe, während sie die Zinsen im Euroraum unverändert belassen wird. Die Bank of Japan hat mit einer „verdeckten Reduzierung“ ihres monatlichen Anleihekaufvolumens begonnen, die voraussichtlich fortgeführt wird. Die Bank of England nahm zwar Anfang November erstmals seit zehn Jahren eine Zinsanhebung vor, der Wachstumsausblick und eine über dem Zielwert liegende Inflation sorgen jedoch zusehends für Kopfzerbrechen.“ Vor dem Hintergrund dieser unterschiedlichen Geldpolitik sei von einer schwierigeren Positionierung der Investoren auszugehen, heißt es im Kapitalmarktausblick.

Der Erhalt der Kaufkraft wird von entscheidender Bedeutung bleiben


Vor dem Hintergrund weiterhin niedriger Zinsen dürfte der Erhalt der Kaufkraft einmal mehr zu einem wichtigen Anlageziel werden. „Anleger müssen sich über die Auswirkungen von Preisniveausteigerungen auf ihre Ertragsbedürfnisse im Klaren sein, da selbst eine relativ niedrige Inflation langfristig zu einem erheblichen Kaufkraftverlust führen kann. Hinzu kommt, dass die von den Zentralbanken herangezogene Standardmethode zur Inflationsmessung die tatsächliche Kostenentwicklung nur unzureichend abbildet“, schreibt der Asset Manager.

Vorsicht vor Liquiditätsengpässen und Volatilitätsspitzen


So umsichtig die Zentralbanken bei ihrem geldpolitischen Anpassungsprozess auch vorgehen mögen – die Folgen seien ungewiss. Dabei ist nach Einschätzung von Allianz Global Investors vor allem das erhöhte Risiko von Liquiditätsengpässen und Volatilitätsspitzen hervorzuheben: „Auf einigen Assetmärkten kann es ohne große Vorwarnung zu gravierenden Liquiditätsengpässen kommen. Im Zuge ihrer quantitativen Lockerungsmaßnahmen halten die Fed, die EZB und die BoJ mittlerweile ein Drittel aller weltweit handelbaren Anleihen, erworben mit Geld, das aus dem Nichts geschaffen wurde. Der Verkauf dieser Anleihebestände könnte die Märkte negativ beeinflussen, u. a. in Gestalt stark steigender Anleiherenditen.“


Die Liquidität sei auch von konzentrierten Mittelzuflüssen in börsennotierte Indexfonds (ETFs) und durch den Hochfrequenzhandel beeinflusst. Diese Faktoren könnten die Volatilität dämpfen und durch den Herdeneffekt die Kurse bestimmter Aktien übermäßig stark in die Höhe treiben.


„Für 2018 rechnen wir mit einer insgesamt weiterhin relativ geringen Volatilität, insbesondere da die Zentralbanken mit Blick auf die Finanzstabilität vorsichtig agieren werden. Dennoch könnten durch veränderte geldpolitische Rahmenbedingungen und damit einhergehende Liquiditätsengpässe – ob tatsächlich vorhanden oder nur befürchtet – Volatilitätsspitzen entstehen. Diese stellen einerseits Risiken, anderseits aber auch Chancen zur Eröffnung oder zum Ausbau von Positionen dar. Hoch bewertete Märkte in der Spätphase ihres Zyklus – wie der US-Markt – könnten Anlass zur Sorge geben. Die schrittweise Verringerung der Anleihekäufe („Tapering“) durch die EZB und weitere Zinserhöhungen durch die BoE könnten Kaufchancen unter Ausnutzung der Marktvolatilität in der EU und in Großbritannien eröffnen“, führen die Analysten aus.

Geopolitische und politische Risiken als größte Sorgenfaktoren


„In unserer jüngsten jährlichen RiskMonitor-Studie gaben 59 Prozent der befragten Investoren an, dass sich ihr Unternehmen unter dem Eindruck der jüngsten politischen Ereignisse stärker auf das Risikomanagement konzentrieren wolle. Geopolitische Risiken zählen inzwischen zu den Hauptsorgen institutioneller Investoren und besitzen auch 2018 das Potenzial zur Destabilisierung der Weltwirtschaft“, erklärten die Experten von AGI.


Die Risiken in Ölförderländern nähmen von Venezuela über Nigeria bis zu den Nahost-Staaten zu. Hier könnten plötzlich auftretende Spannungen einen rapiden Ölpreisanstieg zur Folge haben. Zudem sei die Zukunft der EU ungewiss – die italienischen Parlamentswahlen im Frühjahr 2018 stellen angesichts der hohen Schuldenlast des Landes ein Extremrisiko für die Stabilität Europas dar. Auch seien populistische Politiker mit globalisierungskritischer Agenda auf dem Vormarsch. Vor diesem Hintergrund müssten Investoren nicht nur potenzielle globale Konfliktherde wie Nordkorea im Blick behalten, sondern auch mögliche Auswirkungen nationaler politischer Entwicklungen auf die Geld- und Fiskalpolitik abschätzen.

Die Disruption setzt sich fort


„Nach unserer Einschätzung wird die Disruption von Geschäftsmodellen auch 2018 ein wichtiges Investmentthema sein. Der Markt honoriert eine kleine Gruppe von Unternehmen, die Branchen neu definieren und Unternehmen mit traditionellen Geschäftsmodellen verdrängen. Dies spiegelt sich auch in der Konzentration von Aktien mit überdurchschnittlicher Wertentwicklung wider: In jedem der vergangenen drei Jahre stellten die Aktien von rund 60 Unternehmen des S&P 500 die verbleibenden rund 440 Titel des Index in den Schatten.“ Disruption sei dabei kein rein technologiegetriebenes Phänomen, sondern auch der demografische Wandel könne disruptive Kraft auf Branchen und Märkten entfalten. Die konsumfreudige Generation der Babyboomer trete nach und nach in den Ruhestand, und damit verringerten sich auch die durch sie erzeugten Wirtschaftsimpulse – nicht nur in der entwickelten Welt, sondern auch in einigen Schwellenländern. Längerfristig betrachtet werden alternde Gesellschaften die Wirtschaftsdynamik verändern. „Diese disruptiven Trends unterstreichen die Bedeutung der Einzeltitelauswahl und den Stellenwert eines aktiven Managements. Durch fundamentales Research globaler Aktien und Anleihen können aktive Manager die Anleger dabei unterstützen, die richtigen Risiken in einem Umfeld niedriger Volatilität einzugehen. Durch aktive Ansätze mit Fokus auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) sind Investoren zudem in der Lage, weitere wichtige Risiken und Folgen in ihre Anlageentscheidungen einzubeziehen“, unterstreicht der Bericht die Bedeutung eines aktiven Fondsmanagements und den wachsenden Einfluss von Nachhaltigkeitskriterien.

Die Bedeutung der Selektion nimmt zu


„Die globale makroökonomische Entwicklung ist zwar weiterhin recht solide, es zeichnet sich jedoch ein zunehmend uneinheitliches Wachstum ab. Regionale Unterschiede dürften sich weiter verstärken“, schreiben die Analysten. „Gleichzeitig erscheinen zahlreiche Assets hoch bewertet. Investoren müssen 2018 demnach selektiver vorgehen. Ihre Erwartungen an aktive Manager werden steigen, da sie nach dynamischeren Möglichkeiten suchen, auf die Performance-Kriterien und die treuhänderischen Pflichten ihrer Manager Einfluss zu nehmen. Bei Aktien favorisieren wir Europa gegenüber den USA, wo die nachlassende geldpolitische Stimulierung in Kombination mit potenziell überhitzten Märkten für stärkeren Gegenwind sorgen könnte, wenn die Konjunkturdaten an Dynamik verlieren. Anleiheinvestoren auf der Suche nach Rendite dürften vergleichsweise attraktive Anlagemöglichkeiten in Staatsanleihen aus Asien und Schwellenländern vorfinden“, lautet die Einschätzung.  


Wie sollten sich Anleger im Zuge dieser Entwicklungen positionieren?


Das Fazit der Experten von Allianz Global Investors lautet wie folgt:  


Jagd nach Erträgen: Hier könnten ausgewählte Schwellenlandanleihen und dividendenstarke Aktien, insbesondere aus Europa, eine Alternative sein. Unternehmensanleihen sollten trotz hoher Bewertungsniveaus insgesamt attraktiv bleiben.


Erhalt der Kaufkraft: Hier bieten sich inflationsindexierte Anleihen aus Europa und den USA an. Daneben ermöglichen Aktien echten Inflationsschutz. Auch reale Assets mit stabilen langfristigen Renditen – wie Infrastruktur – sind einen Blick wert.


Auf Bewertungsniveaus achten: Aktien aus Europa und Schwellenländern können attraktive Realrenditen liefern – und sind dabei nicht übermäßig hoch bewertet.


Auf Wachstumstitel setzen: Halten Sie Ausschau nach Wachstumsaktien, die von der Akkumulation der Erträge ihrer Geschäftsmodelle profitieren. Zyklische Substanzaktien könnten im Jahr 2018 die Nase vorn haben.


Aktiv bleiben: Nehmen Sie selektive Investments in Länder, Sektoren und Währungen vor. Prüfen Sie Strategien zur Absicherung von Extremrisiken. Versuchen Sie, von Volatilitätsspitzen zu profitieren und bereiten Sie sich darauf vor, ihren Anteil risikobehafteter Assets zu verringern, wenn die Konjunkturdaten Anzeichen nachlassender Dynamik erkennen lassen.