Gütesiegel können mehr Vertrauen schaffen – vor allem dann, wenn diese staatlich legitimiert sind oder wenn sich mehrere Unternehmen innerhalb einer Initiative zusammentun. Letztere Variante tritt heute am 1. April 2019 in Kraft: Die in der Initiative Tierwohl engagierten Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels (z. B. Rewe, Edeka Aldi und Lidl) kennzeichnen Fleisch nach dem einheitlichen System „Haltungsform“. Zuvor wurden bereits eigene Siegel verwendet. Verbraucher können nun anhand der Stufen eins bis vier ablesen, wie das Tier gehalten wurde: 1 = Massentierhaltung im Stall, 4 = Premiumhaltung mit Auslaufmöglichkeiten. Biofleisch und nachhaltige Tierhaltung wird in Stufe vier eingeordnet. Das Gütesiegel „Haltungsform“ soll grundsätzlich mit dem geplanten staatlichen Tierwohlkennzeichen vereinbar sein.
Im Investmentuniversum spielen nachhaltige Geldanlagen eine stetig wachsende Rolle. Institutionelle und auch immer häufiger private Anleger interessieren sich für diese grüne Form der Vermögensbildung. Doch die Wahl der Finanzprodukte fällt nicht ganz leicht, weil es keine einheitlichen Standards gibt, wonach sich Anleger orientieren können. In Deutschland sind derzeit in erster Linie das FNG-Label, das Klima-Rating von Climetrics, das ECOreporter-Siegel sowie die Börsenindizes Dow Jones Sustainability und Global Challenges Index bekannt. Diese nehmen ESG-Standards (Environment Social Governance) als Grundlage, wobei diese in Europa unterschiedlich ausgelegt werden. Das Frankfurter Finanz-Beratungsunternehmen Confinpro hat jetzt eine Studie veröffentlicht, wo nach der Einstellung zu nachhaltigen Geldanlagen gefragt wurde.
Wunsch nach mehr Transparenz
Finanzen und Geldanlagen sind ein sensibles Thema. Wenn dann noch der Faktor Nachhaltigkeit dazukommt, sehen sich Anleger oftmals überfordert. Die Masse derjenigen, die sich damit noch nicht solange beschäftigen oder denen die Zeit fehlt, um sich intensiv und universell zu informieren, wünschen sich mehr Transparenz auf dem Markt.
In der repräsentativen Studie von Confinpro forderten 87 Prozent der Bundesbürger ein staatliches Gütesiegel für nachhaltige Geldanlagen. Knapp die Hälfte der Befragten würde sogar Renditeeinbußen hinnehmen: „Unsere Studie belegt den ganz klaren Wunsch der Bundesbürger nach mehr Orientierung in dieser zunehmend beliebten Anlageform“, sagt Melanie Konrad, Wertpapierexpertin bei der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung Cofinpro. „Ein großes Problem sind vor allem fehlende einheitliche Standards für nachhaltige Anlagen.“ Die befragten Probanden hatten der Studie nach genaue Vorstellungen darüber, was sie bei Geldanlagen grundsätzlich ausschließen würden. Mehrheitlich wurde angegeben, dass man korrupte Unternehmen und Länder (59 Prozent) sowie Länder, die keine Regelung gegen Kinderarbeit, Menschenrechte und Arbeitsrechte haben (57 Prozent) ausschließen würde.
Beratungsdefizit bei Banken
Der Großteil der Befragten gab an, bisher nie mit einem (Bank-)Berater über nachhaltige Geldanlagen gesprochen zu haben (85 Prozent). „Dabei birgt das Thema ein enormes Potenzial für die Banken. Die Institute sollten proaktiv handeln und nicht warten, bis der Regulierer sie mit neuen Auflagen dazu zwingt“, so Cofinpro-Expertin Melanie Konrad. „Je eher sich die Branche auf einheitliche Kriterien verständigt, wie es beispielsweise bei der Erarbeitung der Zielmarktkriterien im Rahmen der MiFID II-Umsetzung der Fall war, umso schneller profitieren Anleger von der besseren Erkennbarkeit und einer breiteren Auswahl an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten.
Um Bürgern mehr Transparenz und Orientierung zu geben, hat die Europäische Kommission ein ganzes Maßnahmepaket geplant, welches in Ergänzung zur EU-Anlegerschutzrichtlinie MiFID II stehen soll. Dabei geht es um Klassifikationssysteme für nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten, Informationspflichten von Unternehmen und in der Beratung sowie weiteren Hinweisen. Trotz dieser Maßnahmen wird man als mündiger Anleger nicht drumherum kommen, selbst zu prüfen, ob die Geldanlage tatsächlich zu den eigenen Vorstellungen passt.
Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) äußert sich skeptisch der Studie gegenüber: „In unseren Augen wäre eine staatliche Förderung bzgl. Marktdurchdringung und Kommunikation besser als die Entwicklung eines eigenen Labels“. Das Rad müsse nicht neu erfunden werden. Das FNG-Siegel sei zwar kein staatliches Label, aber eines mit einer Goverance-Struktur, mit der staatlichen Universität Hamburg und einem zusätzlich überwachenden und beratenden Multi-Stakeholder-Komitee als Auditoren. „Was rein grüne Anlagen (Umwelttechnologie, Infrastruktur etc.) angeht, so sind wir von der EU-Kommission in die aktuelle Entwicklung des EU-Ecolabels für Finanzprodukte eingebunden", heißt es in der Erklärung weiter.