Gastbeitrag Was passiert, wenn Aktienrückkäufe scheitern?
Wenn Unternehmen im großen Stil eigene Aktien zurückkaufen, ist das selten ein gutes Zeichen. Der Kurs der Aktie mag steigen, doch mit den Rückkäufen sind auch zahlreiche Gefahren verbunden, wie Christian W. Röhl und Werner H. Heussinger erklären.
Praktisch deshalb, dass Rückkauf-Programme sich bei Bedarf klammheimlich beerdigen lassen. Vorab festgelegt werden muss nämlich nur, wie viele Aktien höchstens erworben werden sollen. Ob ein Unternehmen diesen Spielraum aber tatsächlich ausreizt, liegt allein im Ermessen des Vorstands – und notfalls waren halt die Marktumstände Schuld, dass statt der angekündigten 250.000 nur mickrige 5.000 Aktien gekauft wurden und der wortreich beschworene Geldregen für die Aktionäre ausgeblieben ist. Einen stärkeren Sturm der Entrüstung wird das kaum entfachen: Selbst in professionellen Finanzdatenbanken wie dem Bloomberg-Terminal werden die Rückkauf-Aktivitäten eher halbherzig erfasst.
Derlei Intransparenz kann zum Bumerang werden, denn wenn Aktiengesellschaften sich selbst kaufen, lauern die größten Risiken in der Vorstandsetage. Fast jeder moderne Manager lässt sich zusätzlich zum Fixgehalt noch eine variable Vergütung in den Vertrag schreiben und die hängt oft nicht nur an Bilanzkennzahlen, sondern auch am Börsenkurs. Warum also nicht mit einem hübschen Rückkaufprogramm der lahmen Aktie etwas auf die Sprünge helfen!? Zugegeben, so ganz astrein ist das nicht, mit anderer Leute Geld die eigene Gage in die Höhe zu treiben – aber letztendlich haben ja alle etwas davon und welcher Aktionär wird ernsthaft dumme Fragen stellen, so lange der Aktienkurs frisch, fromm, fröhlich, frei gen Norden marschiert!?
Heikel wird die Sache erst, wenn’s in die andere Richtung geht. Dabei muss gar nicht unbedingt private Gier im Spiel sein – es reicht schon, dass Vorstände halt auch bloß Menschen sind, die von Emotionen geleitet werden. So wie 2007/08, als deutsche Aktiengesellschaften für mehr als 30 Milliarden Euro eigene Aktien zurückgekauft haben, um die angesichts der heraufziehenden Finanz- und Wirtschaftskrise ins Taumeln geratenen Börsenkurse zu stützen. Allein Daimler pumpte damals rund sieben Milliarden Euro in den Markt und bekam schon ein paar Monate später die Quittung: Nachdem die Schwaben ihr Sparschwein für Aktien verjuxt hatten, die plötzlich nicht mal mehr die Hälfte wert waren, musste man Anfang 2009 satte neun Prozent Zinsen aufrufen, um wieder ein bisschen Geld ins Säckel zu kriegen.
Nicht zuletzt aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Vorstände börsennotierter Firmen „ihre“ Aktie fast immer für zu billig halten – vor allem, wenn das Unternehmen eben nicht nur Arbeitsstelle auf Zeit, sondern Lebenswerk ist. Genau dieser mit Eitelkeit gepaarte Mangel an Distanz macht jedoch anfällig: Man kommt in Versuchung, sich und der Welt beweisen zu wollen, dass der Markt unrecht hat und der Kurs eigentlich viel höher sein müsste. In nicht wenigen Fällen stimmt das sogar, doch für die Vendetta gegen die böse Börse sollte der Chef schon das eigene Geld in die Hand nehmen und nicht die Firmenkasse plündern.
Darin liegt ohnehin eine besondere Krux der Rückkäufe – Firmen werden dazu verleitet, sich ständig mit dem Kursverlauf ihrer Aktie zu beschäftigen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich muss eine Aktiengesellschaft Investor Relations betreiben, ihre Anteilseigner seriös informieren und sich am Kapitalmarkt angemessen präsentieren. Aber es ist nicht Aufgabe eines Unternehmens, den Spekulanten die Arbeit abzunehmen und die Börsenperformance zu optimieren. Absurd deshalb, wie sich manche Vorstände auf der Hauptversammlung damit brüsten, sie hätten „den Aktienkurs binnen eines Jahres um 50 Prozent gesteigert“. Selbiges gilt natürlich auch umgekehrt, wenn Anlegerschützer die Manager lautstark in den Senkel stellen, weil der Anteilswert unter ihrer Ägide um 30 Prozent eingeknickt ist.
Erst über längere Zeiträume – und da reden wir eher über zehn als über fünf Jahre – wird der Aktienkurs wirklich Geschäftsverlauf und Unternehmenswert widerspiegeln. Kurz- und mittelfristig jedoch ist das Treiben auf dem Parkett primär eine Funktion dessen, was Investoren an Erträgen erwarten und welche Risiken sie dafür eingehen. Von wirtschaftlicher Realität und gesundem Menschenverstand kann dieses ewige Wechselspiel zwischen Gier und Angst Lichtjahre entfernt sein, was bis heute niemand besser auf den Punkt gebracht hat als Sir Isaac Newton. Der britische Physiker und Universalgelehrte hatte 1720 im Zuge der großen Südsee-Blase sein halbes Vermögen verzockt und anschließend ernüchtert festgestellt: „Ich kann die Bahn der Himmelskörper auf Zentimeter und Sekunden genau berechnen, aber nicht, wohin die verrückte Menge einen Börsenkurs treibt.“
Genau deshalb können Aktienrückkäufe niemals eine Alternative zur Ausschüttung sein. Denn sie sind bloß zusätzlicher Treibstoff für Kursgewinne, die auf kurze Sicht unberechenbar sind und langfristig sowieso anfallen, wenn der Vorstand sich ums Geschäft statt um die Aktie kümmert. Umsatz machen, Gewinne steigern, Märkte entwickeln – das ist seine Aufgabe, dafür wird er bezahlt, daran muss er sich messen lassen und daran sind die Anteilseigner über die Dividende unmittelbar beteiligt: Läuft der Laden, klingelt beim Aktionär die Kasse. Egal, ob die Börse gerade in Depressionen versinkt, in Champagnerlaune ist oder sonst wie verrücktspielt.
Über die Autoren:
Christian W. Röhl und Werner H. Heussinger – Unternehmer und Investoren mit mehr als 20-jähriger Erfahrung an der Schnittstelle zwischen Asset Management, Corporate Finance und New Media. Seit 2010 veröffentlichen sie am isf Institute for Strategic Finance der FOM Hochschule mit der "DividendenAdel Deutschland Studie" eine jährliche Analyse zum Ausschüttungsverhalten deutscher Aktiengesellschaften. Mehr auch auf www.dividendenadel.de. Ihr Buch mit dem Titel „Cool bleiben und Dividenden kassieren“ kann über den FinanzBuch Verlag erworben werden.
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