Max Otte ‚Wir sind auf dem Weg in einen Überwachungsstaat‘
Für Max Otte ist die geplante Abschaffung des Bargeldes wie auch die kürzlich erfolgte Streichung des Bankgeheimnisses schlichtweg „grausam“. Von Trump zeigt sich der kritische Ökonom enttäuscht – dafür sind seine Aussichten für die Börse positiv.
Max Otte: Viele Aktien und Marktsegmente sind immer noch nicht zu teuer. Grundsätzlich bin ich also optimistisch für die Assetklasse Aktien. Allerdings erfolgt vom August bis September oft eine Korrektur. Das kann ich mir nach den teilweise signifikanten Kursanstiegen der ersten Jahreshälfte auch vorstellen.
Viele Anlageexperten halten Aktien für unverzichtbar – aber lohnt sich derzeit ein Einstieg überhaupt noch?
Aber sicher! Es gibt genug Aktien mit Dividendenrenditen von drei, vier Prozent oder mehr. Nehmen Sie die Aktien der Allianz: das KGV beträgt elf und die Dividendenrendite 4,5 Prozent. Da nehme ich doch lieber die Aktie der Allianz als eine Lebensversicherung des Unternehmens. Und auch lieber als viele Immobilien: da wird in guten Lagen bis zum 30fachen der Miete und mehr bezahlt und die Nettorenditen liegen unter zwei Prozent.
Bekannt wurden Sie unter anderem durch Ihr Buch „Der Crash kommt“ (2006), in welchem Sie das Platzen der US-Immobilienblase vorhergesehen haben. Gibt es Anzeichen für eine neue Finanzkrise?
Krisen zu prognostizieren ist das Eine. Erfolgreich einen Anlagefonds betreuen das Andere. Wir haben nach der Finanzkrise keines der Probleme wirklich gelöst. Die Welt hat noch mehr Schulden gemacht – mehr als ein weiteres Welt-BIP, und wir betreiben eine groteske Niedrigzinspolitik, die schon in sozialistische Planwirtschaft ausartet. In den USA haben wir eine Blase bei Autokrediten, allerdings nur in Höhe von einer Billion Dollar, die Immobilienpreise in vielen Märkten ziehen wieder an. Wir stehen im Endspiel um die Schulden der Welt. Die ersten Bankensanierungen in Europa zeigen das. Ich kann mir aber keinen Finanzkollaps wie 2008 vorstellen. Die Notenbanken würden den in Geld ersticken.
Mit Blick auf die US-Märkte: Wie fällt Ihr Zwischenfazit nach rund einem halben Jahr Trump-Präsidentschaft aus?
Ich hatte Hoffnungen, weil Trump unabhängig war. Leider ist er kein strategischer Denker. Er hat nur das wiederholt, was er bei normalen Bürgern aufgeschnappt hat – zum Beispiel „America First“. Ich fand das nicht schlecht, denn es hätte auch heißen können, dass Amerika sich zuerst einmal wieder mehr um die eigene Wirtschaft und die eigenen Bürger kümmert, statt Konflikte zu unterstützen und sein Militär auf der ganzen Welt in Stellung zu bringen. Und leider hat sich eben schnell gezeigt, dass Trump vor allem Reality-TV Star ist und keine große Linie hat. Was aber jetzt mit dem absurden Schmierentheater der angeblichen Russland-Kontakte von den politischen Eliten veranstaltet wird, ist beschämend.
Sie gelten als prominenter Kritiker einer möglichen Bargeldabschaffung – ohne Bargeld würden wir zum gläsernen Bürger, so die Warnung. Ende Juni wurde nun ohne große Medienaufmerksamkeit der §30 a Abgabenordnung mit dem Titel „Schutz des Bankkunden“ aufgehoben. Finanzämter und Behörden können ab sofort ungehindert Kontostände und Zahlungseingänge bei den Kreditinstituten erfragen. Mit anderen Worten: Das 400 Jahre währende Bankgeheimnis wurde nach bereits erfolgten Aufweichungen nun komplett abgeschafft. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Es ist grausam. Wir sind schon ein weites Stück in den Kontroll- und Überwachungsstaat abgerutscht. Das mag zwar ein „softer Überwachungsstaat“ sein, aber die technologischen Möglichkeiten sind ganz andere, als man sie in der DDR oder in den totalitären Diktaturen hatte. Und es reicht ja, politische Gegner ökonomisch zu ruinieren oder in den Medien kaltzustellen. Gefängnisse brauchen wir dafür nicht mehr.
Sie hatten angekündigt, sich um Ihren „Max Otte Vermögensbildungsfonds“ (ISIN: DE000A1J3AM3) nun wieder stärker persönlich zu kümmern, nachdem die Performance doch zu wünschen übrig ließ. Zeigt Ihr Einsatz bereits Wirkung und auf welche Titel setzen Sie aktuell?
Es war der richtige Schritt. Dies ist zum Beispiel eins der wenigen Interviews , die ich in den vergangenen Monaten gegeben habe. Im letzten Jahr haben wir unsere Vergleichsgruppe - den weitaus größeren Flossbach von Storch Multiple Opportunities, den Acatis Gané Value Event und den Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen weit hinter uns gelassen.
Wir hatten auch in zyklische Unternehmen, wie zum Beispiel die Lufthansa, investiert und sind damit gut gefahren. Aktuell haben wir immer noch Warren Buffetts Berkshire und einen Basket der großen Technologiewerte. Aber auch Unternehmen der Modebranche finden wir interessant, zum Beispiel Ralph Lauren. Es gibt durch die Online-Konkurrenz Gegenwind. Aber der Kursverlust betrug teilweise über sechzig Prozent. Das ist zu viel, denn der Markenkern ist gut.
Oder völlig abgedrehte Titel wie die englische Trinity Mirror, der größte englische Zeitungsverlag. Das Printgeschäft ist zwar schwer unter Druck, aber es gibt Hoffnung im Online-Geschäft.
Herr Professor Otte, herzlichen Dank für dieses Interview.