Lesen Sie hier Teil 2 des Interviews


FondsDISCOUNT.de: Herr Hole, Capital Group ist ein Unternehmen mit Tradition und Erfahrung. Erzählen Sie uns ein wenig über die Unternehmensgeschichte.


Martyn Hole: Gegründet wurde Capital Group 1931 von Jonathan Bell Lovelace als „Lovelace, Dennis & Renfrew“. Zuvor war er Partner der Maklergesellschaft E.E. MacCrone. Schon damals betrieb Lovelace Unternehmensrecherche, was eher ungewöhnlich für die damalige Zeit war. Im August 1929 wandte sich Lovelace an seine Partner, da er das Gefühl hatte, der Aktienmarkt sei überbewertet. Er wollte der Kundschaft zur Vorsicht raten. Seine Partner waren mit diesem Vorschlag nicht einverstanden, und so verkaufte er seine Anteile an der Firma kurz vor dem großen Börsencrash 1929. Zwei Jahre später dann gründete er seine eigene Investmentgesellschaft. Wenig später fragten seine alten Partner von E.E. MacCrone bei ihm an, ob er das Management ihres Fonds übernehmen könne – dieser Fonds wurde zum Investmentfonds The Investment Company of America (ISIN: LU1378994690), der 1934 aufgelegt wurde und somit der zweitälteste Investmentfonds der Welt ist. Heute besitzt dieser einen 87-jährigen Track Record.


Über die Jahre wuchs das Unternehmen dann – wir wurden international. Heute verwaltet Capital Group ein Gesamtvermögen von mehr als 2,4 Billionen US-Dollar und besitzt weltweit Forschungsstellen, in Europa, Asien und natürlich den USA. Damit sind wir einer der größten aktiven Vermögensmanager der Welt. Bei uns basiert alles auf Grundlagenforschung und einem Bottom-up-Ansatz. Wir treffen uns mit Unternehmen und analysieren sie. Wir setzen schon immer auf eine langfristige Analyse. Wenn also ein Analyst einen Vorschlag macht, muss er seine Prognosen aus mindestens drei Jahren erstellen, normalerweise ist der Zeitraum noch länger. Außerdem halten wir unsere Titel in der Regel eine lange Zeit. Die Menschen, die für Capital Group arbeiten, bleiben auch meist sehr lang. Die durchschnittliche Beschäftigungsdauer für Portfoliomanager liegt bei mehr als 20 Jahren, die der Analysten bei mehr als zehn.


Seit wann sind Sie schon Teil von Capital Group?


Ich bin nun seit 18 Jahren bei Capital Group und seit fast 40 Jahren in der Branche tätig. Ich bin ein sogenannter Investmentspezialist. Mein Job ist es, als Brücke zwischen der Investmentgruppe und den Kunden zu dienen. Wir versuchen sicherzustellen, dass unsere Portfoliomanager und die Forschungsanalysten sich auf ihre zentralen Aufgaben konzentrieren können. In meiner täglichen Arbeit erläutere ich Kunden, was in den Portfolios passiert, warum wir bestimmte Aktien besitzen und andere nicht.


Mit dem Capital System verfolgen Sie einen sehr differenzierten Investmentansatz. Können Sie erläutern, wie dieser funktioniert?


Jedes unserer Portfolios hat mehrere Portfoliomanager, und etwa ein Viertel jedes Portfolios wird direkt von unseren Analysten verwaltet. Dieses Multi-Manager-System entstand 1958. Der Grund dafür ist ziemlich interessant: Unser Gründer, Herr Lovelace, hatte einen Herzinfarkt und sein Arzt sagte ihm, er solle sich freinehmen, um sich zu erholen. Da kam die Frage auf: Wer managt den Fonds, solange er nicht im Büro ist? Sein Sohn, Jon Lovelace, hatte eine Idee: „Warum teilen wir den Fonds nicht auf ein paar Leute auf? Und dann sehen wir, wie sie sich entwickeln und geben den Fonds demjenigen, der am besten abschneidet.“ Im ersten Jahr schnitt Manager A gut ab, Manager B nicht so – im folgenden Jahr war es genau andersherum. Insgesamt stellte sich daraufhin heraus, dass der Fonds während der gesamten Zeit gute Ergebnisse mit geringer Volatilität erzielt hatte, da sich die beiden Portfoliomanager gut ergänzten. Also beschlossen sie, diese Strategie bei all ihren Fonds zu implementieren – das war die Geburtsstunde des Capital Systems. 


In den 1960ern hatte Jon Lovelace dann die Idee, dass die Analysten ebenfalls Geld verwalten sollten. Dies funktioniert aus verschiedenen Gründen gut. Der erste ist die hohe Motivation. Denn unsere Analysten erhalten schnell viel Verantwortung und dürfen nach einem erfolgreich abgeschlossenen Branchen-Review selbstständig Geld im Portfolio verwalten. Zweitens ist diese Eigenverantwortung ein guter Weg, um potenzielle neue Portfoliomanager zu identifizieren. Wobei ich hier betonen möchte, dass dies keiner Beförderung gleich kommt. Es handelt sich lediglich um eine andere Rolle. Analysten sind bei uns meist Spezialisten, während Portfoliomanager eher Generalisten darstellen. Manche Analysten fühlen sich aus den verschiedensten Gründen nicht wohl dabei, ihr Fachgebiet zu verlassen und in Unternehmen zu investieren, die sie nicht hundertprozentig verstehen.


Herr Hole, während der Lockdowns aufgrund von Corona konnten Sie keine Unternehmensvertreter persönlich treffen – wie hat sich der Umstieg auf Online-Treffen auf Ihre Arbeit ausgewirkt?


Interessanterweise ist unsere Produktivität gestiegen: 2019 hatten wir 14.000 Treffen mit Unternehmen, 2020 waren es 20.000! Will man beispielsweise ein Treffen mit einem Unternehmen in Denver organisieren, muss man nun nicht mehr dorthin fliegen – stattdessen trifft man sich einfach online. Ich habe mich vor ein paar Monaten mit einem Portfoliomanager unterhalten und er erzählte, dass seine Kollegen und er kurz vor dem ersten Lockdown vor dem Problem standen, sich zwischen zwei gleichzeitig stattfindenden Terminen entscheiden zu müssen. Zum einen hatte das Forschungsteam eine Reihe von Veranstaltungen in Europa mit Unternehmen aus dem konsumnahen Bereich organisiert, während gleichzeitig eine Konferenz zum Thema Healthcare in Boston stattfand. Das Team hatte also die Wahl, entweder nach Europa zu fliegen oder nach Boston zu fahren. Im Endeffekt konnten sie an beiden Veranstaltungen teilnehmen, weil sie online stattfanden. Der Wechsel zu Videokonferenzen hat uns also produktiver gemacht. Natürlich geht auch ein Teil der non-verbalen Kommunikation verloren, da einem die Körpersprache fehlt. Ich denke aber, dass Videokonferenzen effektiv sind.


Werden Sie nun wieder zu persönlichen Treffen zurückkehren, oder wird es eine Hybridlösung geben?


Ich denke, es wird eine Hybridlösung werden – so etwa drei Tage die Woche im Büro und zwei Tage mobiles Arbeiten. Ich empfinde es allerdings als wichtig, das Management von Unternehmen in ihrem eigenen Umfeld zu erleben, da sie sich dort wohler führen und meist etwas offener und lockerer sind. Außerdem ist es wichtig, vor Ort die Betriebstätigkeit zu erleben, da man sich nur so ein wirklich fundiertes Bild machen kann. Bei meiner früheren Firma war ich lange Zeit für die Bergbauindustrie verantwortlich. Durch die verschiedenen Minen zu gehen und zu sehen, wie diese betrieben wurden, wie effizient sie waren und, wie sich das Management gegenüber der Belegschaft verhalten hat, kann wirklich ausschlaggebend sein. Das ist also etwas, was uns in den vergangenen Monaten gefehlt hat und was wir definitiv wieder aufnehmen werden, sobald die Lockdowns vorbei sind.


Vielen Dank für das Interview, Herr Hole!


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