Inhalt
Börsenkurs trifft Nettoinventarwert
Börsenkurs und NAV im Vergleich
Der Spagat zwischen Markt und Buch bei Immobilienfonds
Welche Auswirkungen hat das Auseinanderfallen von Börsenkurs und NAV?
Fazit: Navigieren durch die Wellen von Börsenkurs und NAV
In der facettenreichen Welt der Finanzmärkte sind Börsenkurse das Fenster, durch das Anleger und Marktteilnehmer einen Blick auf den Wert von Unternehmen und Fonds werfen können. Doch so transparent dieses Fenster auch erscheinen mag, es birgt ein komplexes Spiegelbild der wirtschaftlichen Realitäten. Eine dieser Komplexitäten ist der Nettoinventarwert (net asset value = NAV), der oft ein anderes Bild der Vermögenswerte zeichnet als der Börsenkurs. Doch was steckt hinter diesen beiden Bewertungsmaßstäben und wie kommen sie zustande? Warum weichen Börsenkurs und NAV voneinander ab, insbesondere bei illiquiden Werten wie Immobilienfonds? Diese Fragen sind nicht nur für Finanzprofis, sondern auch für den durchschnittlichen Anleger von Bedeutung, da sie ein tieferes Verständnis für die Dynamik des Marktes ermöglichen. In diesem aufschlussreichen Artikel werden wir die Entstehung von Börsenkursen und die Berechnung des Nettoinventarwerts erläutern, den Unterschied zwischen ihnen aufzeigen und die Auswirkungen des Auseinanderfallens von Börsenkurs und NAV untersuchen. In diesem Beitrag tauchen wir tiefer in die Welt der finanziellen Bewertung von Unternehmen und Fonds ein und ergründen, wie Anlegerinnen und Anleger diese Erkenntnisse in ihre Anlagestrategie integrieren können.
Börsenkurs trifft Nettoinventarwert
In der Finanzwelt begegnen uns häufig technische Begriffe, die auf den ersten Blick komplex erscheinen können. Zwei solcher Begriffe, die im Zentrum der Bewertung von Unternehmen und Fonds stehen, sind der Börsenkurs und der NAV. Doch was verbirgt sich hinter diesen Begrifflichkeiten und warum sind sie für Anleger von Bedeutung?
Börsenkurs:
Der Börsenkurs, auch bekannt als Aktienkurs, ist der Preis, zu dem eine Aktie an einer Börse gehandelt wird. Er wird durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bestimmt. Wenn mehr Anleger eine Aktie kaufen wollen als verkaufen, steigt der Kurs, und umgekehrt. Der Börsenkurs ist ein Indikator für die Bewertung eines Unternehmens auf dem freien Markt und kann neben dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage multifaktoriell durch Gegebenheiten wie Unternehmensnachrichten, wirtschaftliche Indikatoren oder Marktstimmungen beeinflusst werden. Er ist damit das Ergebnis der kollektiven Einschätzung aller Marktteilnehmer über den Wert des Unternehmens oder Fonds, welches dynamisch ist und sich ständig ändert. Insbesondere wird der Börsenkurs von den Bewertungen der Zukunftsaussichten eines Unternehmens oder Fonds beeinflusst.
Beispiel: Nehmen wir an, Unternehmen A hat positive Quartalsergebnisse veröffentlicht, was zu einer erhöhten Nachfrage nach seinen Aktien führt. Dies lässt die Marktteilnehmenden optimistisch in die Zukunft blicken. Als Ergebnis steigt der Börsenkurs der Aktien von Unternehmen A.
Nettoinventarwert (NAV):
Der Nettoinventarwert (NAV) ist ein buchhalterischer Bewertungsmaßstab, der den Wert aller Vermögenswerte eines Unternehmens oder Fonds minus der Verbindlichkeiten (= vertragliche sowie gesetzliche Verpflichtungen gegenüber Dritten wie etwa eine Darlehensrückzahlung) repräsentiert. Er wird üblicherweise pro Aktie oder Anteil ausgedrückt und gibt den „wahren“ Wert des Unternehmens oder Fonds wieder. Der NAV wird oft von Fondsmanagern verwendet und bietet eine statische Momentaufnahme des „inneren“ Werts, unabhängig von den aktuellen Marktbedingungen.
Beispiel: Unternehmen B hat Vermögenswerte im Wert von zehn Millionen Euro und Verbindlichkeiten von zwei Millionen Euro. Der NAV des Unternehmens wäre demnach acht Millionen Euro. Hat das Unternehmen B bspw. 100.000 Wertpapiere an Anleger herausgegeben, beträgt der NAV pro Aktie 80 Euro.
Die Divergenz zwischen Börsenkurs und NAV kann auf eine Diskrepanz zwischen der Marktbewertung und dem buchhalterischen Wert eines Unternehmens hinweisen. Dieses Verständnis ist der erste Schritt, um die komplexere Beziehung zwischen Marktliquidität, Börsenkursen und NAV zu erkunden.
Die Schere zwischen Markt und Buch: Börsenkurs und NAV im Vergleich
Das Verständnis der Unterschiede zwischen dem Börsenkurs und dem Nettoinventarwert (NAV) ist ein wesentlicher Aspekt für Anleger, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Diese beiden Bewertungsmaßstäbe bieten unterschiedliche Perspektiven auf den Wert eines Unternehmens oder eines Fonds und können in verschiedenen Marktbedingungen variieren.
Wie Diskrepanzen entstehen:
Die Diskrepanz zwischen Börsenkurs und NAV kann durch verschiedene Faktoren verursacht werden, darunter die Liquidität des Marktes, das Vertrauen der Anleger, und die Performance des Managements. Diese Unterschiede können besonders auffällig sein bei illiquiden Vermögenswerten wie Immobilienfonds, wo der Markt nicht immer eine genaue Bewertung ermöglicht.
Beispiel:
Gehen wir vom obigen Beispiel aus, bei dem der NAV bei 80 Euro pro Anteil liegt. Wenn jedoch die Anleger aufgrund von Marktbedingungen oder schlechten Nachrichten ihr Vertrauen in das Unternehmen bzw. seinen Erfolg verlieren, könnte der Börsenkurs eines Unternehmensanteils unter den NAV fallen, bspw. auf 70 Euro pro Aktie. Dies zeigt, wie Marktperzeption und reale Vermögenswerte zu unterschiedlichen Bewertungen führen können.
Exkurs: Der Spagat zwischen Markt und Buch bei Immobilienfonds
Illiquide Werte wie Immobilienfonds stellen eine besondere Herausforderung in der Vermögensbewertung dar. Die Begriffe Liquidität und Illiquidität beziehen sich auf die Fähigkeit, Vermögenswerte schnell und mit minimalen Preisabschlägen in Bargeld umzuwandeln. Immobilien, die den Großteil des Portfolios von Immobilienfonds ausmachen, sind im Vergleich zu Unternehmensaktien, Aktienfonds, ETFs oder Tagesgeld illiquide. Doch wie wirkt sich diese Illiquidität auf den Börsenkurs und den NAV aus?
Einblick in die Illiquidität:
Immobilienfonds investieren in physische Vermögenswerte wie Gebäude und Grundstücke, deren Verkauf Zeit in Anspruch nimmt und oft mit erheblichen Kosten verbunden ist. Daher kann der Markt nicht immer schnell auf neue Informationen reagieren, was zu einer Diskrepanz zwischen Börsenkurs und NAV führen kann. Je einfach der Handel mit einem Asset ist, umso mehr spiegelt der Börsenkurs in der Regel auch den NAV wider.
Deswegen können Börsenkurs und NAV bei Immobilienfonds auseinanderfallen
Marktbewertung: Der Börsenkurs eines Immobilienfonds kann stark von der Marktwahrnehmung und der Liquidität des Fonds abhängen. In einem illiquiden Markt können Verkäufer Schwierigkeiten haben, Käufer zu finden. Wenn dies der Fall ist, wirkt sich dieser Umstand unmittelbar negativ auf den Börsenkurs aus und der Kurs fällt. Neben dem Verkehrswert der in ihm enthaltenen Immobilien spielen also insbesondere die aktuellen Marktbedingungen eine entscheidende Rolle für den Börsenkurs eines Immobilienfonds.
Buchhaltungsbewertung: Der NAV eines Immobilienfonds basiert auf der buchhalterischen Bewertung der Immobilien im Portfolio, abzüglich der Verbindlichkeiten. Diese Bewertung kann jedoch veraltet sein, insbesondere in einem sich schnell ändernden Markt. Für die Bewertung des NAVs eines Immobilienvermögens wird der Verkehrswert der Objekte bzw. Grundstücke herangezogen. Dieser kann höher oder niedriger ausfallen als der Wert, den potenzielle Käufer in der Realität bereit wären, zu zahlen.
Die Ermittlung des Verkehrswerts einer Immobilie basiert hauptsächlich auf drei wesentlichen Kriterien: dem Vergleich von ähnlichen, kürzlich verkauften Immobilien in der Nähe (Vergleichswertverfahren), den erzielbaren Mieteinnahmen im Fall von Mietobjekten (Ertragswertverfahren) und den Kosten, die für den Neubau des Objekts anfallen würden abzüglich einer Wertminderung für Alter und Abnutzung (Sachwertverfahren). Dabei spielen auch Faktoren wie die Lage, der Zustand, die Größe und Ausstattung der Immobilie eine entscheidende Rolle.
Beispiel:
Nehmen wir einen Immobilienfonds mit 100.000 herausgegebenen Anteilen, dessen Portfolio aus Immobilien im Verkehrswert von 200 Millionen Euro besteht, während Verbindlichkeiten von 50 Millionen Euro verbucht wurden. Der NAV entspräche 1.500 Euro pro Anteil. Aufgrund einer negativen Marktstimmung oder außerplanmäßigen Immobilienverkäufen könnte der Börsenkurs des Fonds auf 1.200 Euro pro Anteil fallen. Trotz der Tatsache, dass der „buchhalterische“ Wert des Fonds 1.500 Euro pro Anteil beträgt, reflektiert der Markt eine pessimistischere Einschätzung durch den niedrigeren Börsenkurs.
Welche Auswirkungen hat das Auseinanderfallen von Börsenkurs und NAV?
Das Auseinanderfallen von Börsenkurs und Nettoinventarwert (NAV) ist nicht nur eine theoretische Diskrepanz, sondern hat konkrete Auswirkungen auf Anleger, Fondsmanager und den gesamten Markt. Diese Auswirkungen können vielfältig sein und sich in verschiedenen Szenarien unterschiedlich manifestieren.
Für Anleger:
Fehlbewertung: Ein signifikantes Auseinanderfallen kann eine Fehlbewertung signalisieren. Ist der Börsenkurs niedriger als der NAV, könnte das eine Kaufgelegenheit darstellen, vorausgesetzt, der Anleger glaubt, dass der Markt den wahren Wert des Fonds oder Unternehmens schließlich erkennt.
Rendite-Erwartungen: Die Diskrepanz kann auch die Rendite-Erwartungen beeinflussen. Eine kontinuierliche Diskrepanz könnte Anzeichen für strukturelle Probleme sein und die langfristige Rendite beeinträchtigen.
Für Fondsmanager:
Performance-Messung: Fondsmanager nutzen den NAV, um die Performance des Fonds zu messen. Eine große Diskrepanz zum Börsenkurs kann die Effektivität der Fondsverwaltung in Frage stellen und die Beziehung zu den Anlegern belasten.
Asset- und Liability-Management: Die Diskrepanz kann das Asset- und Liability-Management erschweren, insbesondere wenn der Börsenkurs deutlich vom NAV abweicht.
Für den Markt:
Markt-Effizienz: Eine konstante Diskrepanz könnte auf eine mangelnde Markt-Effizienz hinweisen, wo der Markt nicht in der Lage ist, den wahren Wert von Vermögenswerten korrekt zu reflektieren.
Preisfindungsmechanismus: Das Auseinanderfallen kann den Preisfindungsmechanismus beeinträchtigen und zu volatilen Marktbedingungen führen, was wiederum das Vertrauen der Anleger in den Markt untergraben kann.
Darauf können Anleger achten:
Um die Bemühungen eines Fondsmanagements oder Unternehmens, das die Kluft zwischen Börsenkurs und NAV schließen und die Liquidität steigern will, zu erkennen, ist es hilfreich, auf regelmäßige, detaillierte Finanzberichte und klare Aussagen und Kommunikationsstrategien des Managements zu achten. Darüber hinaus können Anleger durch die Identifikation aktiver Managementstrategien wie bspw. Portfoliobewertungen und -anpassungen und Marktinterventionen wie etwa Rückkaufprogramme oder Ausschüttungspolitiken, ein besseres Verständnis für die Bewertungsdynamik erhalten. Durch das Verständnis dieser Strategien können Anleger besser informierte Investitionsentscheidungen treffen und die langfristigen Aussichten des jeweiligen Unternehmens oder Fonds bewerten.
Fazit: Navigieren durch die Wellen von Börsenkurs und NAV
Die Reise durch die Welt der Börsenkurse und des Nettoinventarwerts (NAV) hat uns ein klares Bild davon vermittelt, wie diese Bewertungsmaßstäbe entstehen und sich unterscheiden. Besonders bei illiquiden Vermögenswerten wie Immobilienfonds kann die Diskrepanz zwischen Börsenkurs und NAV öfter vorkommen, was sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Anleger darstellt.
Die Kernaspekte, die in diesem Artikel hervorgehoben wurden, umfassen:
Die Entstehung von Börsenkursen und NAV: Während Börsenkurse die dynamische Marktstimmung reflektieren, bietet der NAV eine buchhalterische Momentaufnahme des Vermögenswerts.
Die Diskrepanz zwischen Börsenkurs und NAV: Verschiedene Faktoren, insbesondere die Liquidität, können zu einer Diskrepanz zwischen diesen beiden Bewertungsmaßstäben führen. Davon sind bspw. offene Immobilienfonds besonders betroffen.
Die Auswirkungen dieser Diskrepanz: Sie beeinflusst Anleger, Fondsmanager und die Marktmechanismen, und kann die Markt-Effizienz und die Preisfindung beeinträchtigen, aber auch Chancen bieten.
Erkennen von Strategien zur Minderung der Diskrepanz: Durch das Identifizieren verbesserter Transparenz, aktiven Managements und Marktinterventionen können Anleger Bemühungen von Managern erkennen, welche die Diskrepanz zwischen Börsenkurs und NAV verringern sollen.
Richtig einschätzen, richtig handeln
Für Anleger ist es wichtig, das Auseinanderfallen von Börsenkurs und NAV zu verstehen, insbesondere wenn es um Investitionen in illiquide Vermögenswerte wie Immobilienfonds geht. Eine gründliche Analyse und ein Verständnis der zugrunde liegenden Faktoren können helfen, fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen. Bei einer Diskrepanz könnte eine detaillierte Untersuchung des Fonds oder Unternehmens erforderlich sein, um zu beurteilen, ob es sich um eine Kaufgelegenheit oder eine Warnung handelt, oder ob die Diskrepanz – gerade, wenn es um illiquide Werte geht – nicht überbewertet werden sollte.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Börsenkurs und NAV nur zwei von vielen Parametern sind, die Anleger berücksichtigen sollten, wenn sie Kauf- oder Verkaufsentscheidungen treffen. Weitere relevant Parameter sind bspw. die finanzielle Gesundheit eines Fonds oder Unternehmens, Marktbedingungen, Managementqualität, Branchentrends, Regulatorien, das Risikoprofil oder die Diversifikation des Fonds bzw. Unternehmens.
Diese und viele andere Faktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewertung und Auswahl von Investitionen. Es ist daher empfehlenswert, eine ganzheitliche Betrachtung vorzunehmen und gegebenenfalls professionelle Finanzberatung in Anspruch zu nehmen, um fundierte Investitionsentscheidungen zu treffen.